"Eine gute Nachricht", so reagierte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unmittelbar nach der Entscheidung der Europäischen Arzneimittelagentur EMA auf Twitter. Die EMA habe den Impfstoff für Über-18-Jährige als sicher und wirksam eingestuft.
Eine gute Nachricht ist es zunächst einmal, weil der Pfizer-Biontech-Impfstoff bekanntermaßen begehrt und knapp ist. Jedes weitere zugelassene Vakzin bedeutet also, dass mehr Menschen in der gleichen Zeit geimpft werden können. Die Entscheidung über den Moderna-Impfstoff war dementsprechend heiß erwartet worden.
Schon seit einem ersten Treffen der EMA am Montag hatte es geheißen, die Empfehlung stünde bevor, allerdings mussten zunächst noch offene Fragen verschiedener europäischer Länder beantwortet werden, bis am Mittwoch eine offizielle Empfehlung abgegeben werden konnte.
Der Impfstoff des Biotechnologieunternehmens aus Massachusetts, das 2010 gegründet wurde, ist bereits im Dezember in den Vereinigten Staaten und in Kanada und gerade auch in Israel zugelassen worden. Unter anderem die zukünftige demokratische US-Vizepräsidentin Kamala Harris ist mit dem Moderna-Mittel geimpft worden.
Die EMA hatte für die Europäische Union, wie auch schon bei Pfizer-Biontech, eine sogenannte "bedingte Zulassung" des Impfstoffs empfohlen. Das bedeutet einfach nur, dass ein Arzneimittel insbesondere gegen lebensbedrohliche Krankheiten in Ausnahmefällen noch vor Abschluss der vollständigen klinischen Prüfung auf den Markt gebracht werden kann. Die entsprechenden Daten, im Fall der Impfstoffe Daten aus Langzeitstudien, werden dann nachgereicht und die Zulassung ist deshalb zunächst beschränkt.
Moderna ist auf die Entdeckung und Entwicklung von Arzneimitteln auf der Basis von "Boten-" oder auf Englisch "Messenger-RNA" (mRNA) spezialisiert. Und damit funktioniert sein Impfstoff nach dem gleichen Prinzip wie der von Pfizer-Biontech. Vereinfacht gesagt wird bestimmten Zellen im Körper der geimpften Person die Information übermittelt, die sie brauchen, um Proteine beziehungsweise "Antigene" zu "bauen", die zwar spezifisch für das Coronavirus, aber harmlos sind. Diese Antigene bewirken dann, dass das Immunsystem hierzu passende Antikörper produziert, die das Virus neutralisieren können.
Dadurch kann der Körper also ein Arsenal mit gegen das Coronavirus wirksamen Antikörpern aufbauen. Und wenn man sich dann tatsächlich mit dem "echten" Coronavirus anstecken sollte, kann dieses Arsenal unmittelbar und effizient vom Körper gegen die Infektion eingesetzt werden, anstatt erst aufgebaut werden zu müssen. Das spart nicht nur Zeit, sondern erlaubt dem Körper auch, möglichen Schaden so früh wie möglich und so umfassend wie möglich zu begrenzen.
Vergleich Moderna - Pfizer-Biontech
Der Impfstoff von Moderna funktioniert aber nicht nur nach dem gleichen Prinzip wie der von Pfizer-Biontech, er hat auch eine nach Herstellerangaben vergleichbare Effizienz – knapp 94 Prozent. Und er wird ebenso in zwei Dosen pro Patient verabreicht. Allerdings ist der zeitliche Abstand etwas größer, nämlich vier Wochen statt drei. Ein bestmöglicher Schutz soll zwei Wochen nach der zweiten Dosis aufgebaut sein, insgesamt also sechs Wochen nach der Erstimpfung. Bei Pfizer-Biontech sind es nur vier Wochen zwischen erster Dosis und dem Erreichen der maximalen Abwehrkraft. Mögliche Beschwerden nach der Impfung sollen vergleichbar, wenn auch geringfügig stärker sein.
Der große Vorteil des Moderna-Vakzins könnte aber in seiner Lagerung liegen. Im Gegensatz zu dem Impfstoff von Pfizer-Biontech muss der von Moderna nur bei minus 20 Grad aufbewahrt werden. Weil die dafür notwendige Technik weniger komplex und störanfällig ist, macht das die gesamte Logistik des Transports und der Verteilung wesentlich einfacher.
Hinzu kommt, dass das Mittel von Moderna nach dem Auftauen auch deutlich länger in einem gewöhnlichen Kühlschrank aufbewahrt werden kann – bis zu 30 Tage lang soll es bei zwei bis acht Grad seine Wirksamkeit behalten. Bei Raumtemperatur sollen es immerhin noch zwölf Stunden sein. Und diese geringere Temperaturempfindlichkeit könnte es auch erlauben, an mehr Orten zu impfen, etwa theoretisch sogar bei Hausärzten.
Die Länder der Europäischen Union haben sich über die Kommission bislang eine Option auf 160 Millionen Impfstoffdosen von Moderna gesichert. Wie auch bei den anderen Vakzinen erfolgt die Verteilung dabei nach einem Bevölkerungsschlüssel. Für Belgien bedeutet das zwei Millionen Dosen, also genug Impfstoff für zunächst eine Million Menschen.
Im Vergleich zu den anderen Impfstoffkandidaten, auf die Belgien eine Option genommen hat, ist das die geringste Menge. Es wird davon ausgegangen, dass die ersten Moderna-Dosen hier noch diesen Monat eintreffen werden. Aber es wird sich wohl zunächst um kleine Mengen handeln.
Boris Schmidt