"Die Verlängerung erlaubt uns, dem Brexit-Deal zuzustimmen und die EU zu verlassen. So schnell wie möglich und am besten noch vor den Europawahlen", so die britische Premierministerin Theresa May nach der Entscheidung der 27 europäischen Staats- und Regierungschefs, den Briten noch etwas Bedenkzeit zu geben.
Eine Entscheidung, die nicht allen gefällt, wie so oft bei einem Kompromiss. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wollte einen kürzeren Termin, andere wie EU-Ratspräsident Donald Tusk einen längeren.
Man traf sich also in der Mitte: 31. Oktober, mit der Möglichkeit für die Briten früher auszusteigen, sobald sich eine Mehrheit im britischen Parlament für den von May mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag findet.
Angesichts einer britischen Premierministerin, die dazu unfähig ist, diese Mehrheit für ihren Deal zusammen zu bekommen, sei das das Beste, was die 27 machen konnten, findet Philipp Lamberts, Europaabgeordneter von Ecolo. "Die Briten bekommen mehr Zeit, um herauszufinden, was sie wollen. Ein Signal der EU an die Briten: Sagt uns Bescheid, wenn ihr soweit seid, und am liebsten vor dem 31. Oktober", erklärt Hendrik Vos, Politologe an der Uni Gent.
Wenn die Briten es bis dahin nicht hinbekommen, dann müsse die EU Nägel mit Köpfen machen. Für Politologe Hendrik Vos ist deshalb die Gefahr eines harten No-Deal Brexits, mit negativen Auswirkungen für Belgien, noch lange nicht vorbei.
EU-Parlamentarier Philipp Lamberts sieht das ähnlich. Das britische Unterhaus habe sich bislang wie ein Jugendlicher verhalten, der nur eines kann: zu allem Nein sagen. "Nein zu einem No-Deal-Brexit, Nein zu einem geordneten Brexit, Nein zu einem Referendum, nein zu Neuwahlen." Und das wird auch sicherlich eine Weile so bleiben und Mays Gespräche mit Jeremy Corbyn von der Labour-Opposition haben gerade erst begonnen.
Deshalb ist es auch wahrscheinlich, dass Großbritannien doch noch an den Europawahlen teilnimmt, wenn es bis dahin noch Mitglied ist. Und das drei Jahre nachdem es beschlossen hat, die EU zu verlassen. "Das ist zwar krank, aber alternativlos, denn jedes Mitgliedsland muss auch in den europäischen Institutionen vertreten sein", sagt Hendrik Vos.
Die Briten in der EU, die dann alles blockieren. Das war auch die große Befürchtung von Premier Charles Michel vor dem Gipfel am Mittwoch. Er forderte eine Garantie der Briten die EU dann nicht von innen heraus zu boykottieren. Die bekam er diese Nacht. Entsprechend zufrieden war er dann auch anschließend.
Verantwortungsvolle Zusammenarbeit und Respekt der Europäischen Verträge - dazu haben sich die Briten am Mittwoch verpflichtet. EU-Parlamentarier Lamberts relativiert. Daran müssten sich eigentlich alles halten, tun sie aber nicht. Alle Mitgliedstaaten störten bisweilen, und die Briten nicht mehr als die anderen.
Politologe Hendrik Vos sieht das alles nicht so eng. Die Hard Brexiteers hätten zwar angedroht, den Quertreiber zu spielen, aber den Ruf hätten die Briten schon seit Margaret Thatcher. Das sein man von den Briten so gewohnt und außerdem würden sowieso viele Entscheidungen Mehrheit gegen Minderheit verabschiedet, erklärt Hendrik Vos, beispielsweise die Wahl Jean-Claude Junckers zum EU-Kommissionspräsidenten, da seien die Briten auch gegen gewesen.
Und sollten die Briten tatsächlich an der Europawahl teilnehmen, dann sei das auch kein Problem, sagt Philippe Lamberts. Ob britische, italienische, französische oder deutsche Euroskeptiker - sie alle hätten es noch nicht geschafft, das Europaparlament an seiner Arbeit zu hindern.
Volker Krings