Mehr als 20 Milliarden Euro haben sich an der Brüsseler Börse seit Freitag in Luft aufgelöst. Vor allem die Aktienkurse der Banken stürzen ab, mit Einbußen von zehn Prozent und mehr für KBC, ING, BNP Paribas und Konsorten. Die Angst vor einer neuen Bankenkrise geht um. Auch deshalb wollen die Europäer die Zitterpartie so rasch wie möglich beenden und verlangen eine klare Ansage aus Großbritannien. Doch dort scheint die politische Klasse ratlos, London spielt deshalb weiter auf Zeit.
Deutschland, Frankreich und Italien pochen auf einen raschen Beginn der Verhandlungen mit Großbritannien über einen EU-Austritt. Vorab-Vereinbarungen mit London erteilten die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident François Hollande sowie der italienische Regierungschef Matteo Renzi in Berlin eine Absage. Merkel betonte, es werde keine formellen oder informellen Gespräche mit London über den Austritt geben, bevor nicht der entsprechende Antrag eingegangen sei.
Der britische Premierminister David Cameron wird am Dienstag in Brüssel nicht Artikel 50 der EU-Verträge aktivieren. Heißt: Noch beginnen die Verhandlungen über einen Austritt der Briten aus der Europäischen Union nicht. Das sei erst etwas für Camerons Nachfolger, der wohl erst nach den Sommerferien bestimmt wird. So lange wollen die 27 anderen EU-Staaten aber nicht warten.
Bereits am Dienstagvormittag wird das Europaparlament zu einer Sondersitzung zusammenkommen. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker will seine Linie zum britischen Austritt erläutern.
Das restliche Europa ist sich inzwischen einig, dass es mit Europa weitergehen muss. Wie, das wollen die 27 am Mittwoch klären. Zum ersten Mal seit 43 Jahren wird der europäische Rat dann ohne Großbritannien tagen.
S&P und Fitch senken Daumen über Großbritannien wegen Brexit
Die großen US-Ratingagenturen haben Großbritannien wegen des Brexit-Votums abgestraft. Standard & Poor's (S&P) erkannte dem Land die Top-Kreditwürdigkeit ab. Die Bonität des Landes wurde von der besten Bewertung "AAA" um zwei Stufen nach unten auf "AA" herabgestuft. Fitch nahm die Bonitätseinstufung von "AA+" auf "AA" zurück. Die Abstufung begründet Standard & Poor's damit, dass das Brexit-Votum "die Vorhersehbarkeit, die Stabilität und die Effektivität der politischen Prozesse in Großbritannien" schwächen werde, so S&P. Zudem seien Auswirkungen auf die britische Wirtschaft und die Staatsfinanzen zu erwarten. Ähnlich äußerte sich Fitch.
Die dritte große Ratingagentur Moody's hatte den Ausblick für die Bonitätsbewertung schon am Freitag von "stabil" auf "negativ" gesenkt. Das Rating ließ Moody's indes zunächst unverändert auf der zweitbesten Note im Moody's-Schema.
Merkel: London wird keine Extrawurst gebraten
Im deutschen Bundestag in Berlin hat Kanzlerin Merkel am Vormittag Sondervergünstigungen für Großbritannien nach einem EU-Austritt eine Absage erteilt. Großbritannien bleibe zwar ein wichtiger Partner, sagte Merkel. London könne nicht erwarten, dass alle Pflichten entfielen, die Privilegien aber bestehen blieben. "Wir werden sicherstellen, dass die Verhandlungen nicht nach dem Prinzip der Rosinenpickerei geführt werden", sagte sie.
dpa/alk/sh - Bild: Leon Neal/AFP