Frische und lebhafte Musik erklingt in dieser und der kommenden Woche im Lütticher Opernhaus. Schöpfer dieser Musik ist unverkennbar Wolfgang Amadeus Mozart, zusammen mit dem Librettisten Lorenzo Da Ponte, der gemeinsam mit Mozart auch für die Welterfolge "Figaros Hochzeit" und "Don Giovanni" verantwortlich ist.
Die dritte und letzte Koproduktion dieses Dream-Teams aus dem 18. Jahrhundert war "Cosi fan tutte" - zu deutsch "So tun sie es alle". Gemeint sind die Frauen, die laut der Moral dieser Oper allesamt untreu werden, sobald ihre Männer für längere Zeit abwesend sind. Diese Schlussfolgerung ist in der Vergangenheit nicht immer auf Gegenliebe beim Publikum gestoßen, wie Dirigent Sieva Borzak berichtet.
Gerade im 20. Jahrhundert war die Oper laut Sieva Borzak nicht wirklich populär wegen ihres Themas, über das die Menschen einfach nicht redeten und das sie auch nicht auf der Bühne sehen wollten. Heutzutage ist unsere Gesellschaft aber offener für solche Themen und versteht besser, dass Mozart und Da Ponte sich mit diesem Werk vor allem über die vorgetäuschte Welt ihrer Zeit lustig machen wollten.

Der russisch-italienische Dirigent Sieva Borzak ist in Lüttich übrigens kein Unbekannter - Anfang 2025 hat er den Internationalen Wettbewerb für Operndirigenten an der Lütticher Oper gewonnen, und die aktuelle Produktion ist sozusagen sein Preisgeld für diesen Sieg. Dabei ist er mit 28 Jahren schon ein sehr erfahrener und reifer Dirigent, und sein Verständnis von Mozarts Opernmusik ist tief, auch wenn dies das erste Mal ist, dass er "Cosi fan tutte" dirigiert.
Wie Sieva Borzak erklärt, gibt es bei Mozarts Musik immer einen tiefen Zusammenhang zwischen Text und Musik sowie zwischen der Handlung auf der Bühne und der Musik - die Musik steht immer im Dienst des Texts, und wenn man nur die Musik hört ohne die Handlung zu sehen, weiß man dennoch genau, was gerade passiert.
Trotzdem ist es absolut anzuraten, sich die gesamte Inszenierung in Lüttich anzusehen. Regisseur ist der Belgier Vincent Dujardin. Er hat die Handlung der Oper in die wilden 1960er Jahre verlegt. Szenografin Leila Fteita hat ein Dekor geschaffen, das wie ein gigantisches Puppenhaus aussieht, in dessen verschiedenen Kammern die hervorragenden gesanglichen und schauspielerischen Leistungen der Hauptfiguren perfekt zur Geltung kommen.
Optisch wie akustisch ist diese Inszenierung ein wahrer Genuss. Dazu tragen natürlich die tollen Kostüme bei, aber vor allem auch das Orchester, das Sieva Borzak mit seinem präzisen und gleichzeitig gefühlvollen Dirigat hundertprozentig unter Kontrolle hat. Spritzig und dynamisch erklingt Mozarts Musik, ab und zu auch tragisch und melancholisch, aber trotz einer Aufführungsdauer von dreieinhalb Stunden ist der Opernabend im Nu vorbei.
Es gibt noch Aufführungen in Lüttich bis zum 23. Oktober, und wenn man sich bewusst ist, dass Mozarts "So tun sie es alle" nicht ganz ernst zu nehmen ist, dann wird man einen Besuch dieser Produktion sicherlich in vollen Zügen genießen können.
Patrick Lemmens