Der Franzose Jules Massenet hat vor allem Opern komponiert, insgesamt mehr als 30. Die bekanntesten davon sind "Manon", "Hérodiade" und eben "Werther". Massenet schrieb den "Werther" zwischen 1880 und 1887, er hat also geschlagene sieben Jahre gebraucht, um Goethes literarischen Meilenstein in Musik umzusetzen.
Giampaolo Bisanti, Chefdirigent der Lütticher Oper und Leiter dieser Produktion, erklärt, warum das so lange gedauert hat: "Nach dem Erfolg von "Manon" und "Hérodiade" ist "Werther" vielleicht das Meisterwerk von Massenet, sicherlich seine am wenigsten konventionelle Partitur und am wenigsten an starre, feste Muster gebunden. Massenet musste nach einer anderen Klangsprache als bisher suchen."
"Zunächst hatte er keine klare Idee von der Arbeit. Er musste sich viele Gedanken über die Orchestrierung machen und über die Einführung neuer Klangelemente in das Orchester - Windmaschine oder Tamtam oder Saxophon zum Beispiel - so dass dies viel Zeit in Anspruch nahm."
Die Handlung der Oper beschreibt in vier Akten die wachsende Verzweiflung von Werther über seine unmögliche Liebe zu Charlotte, die einem anderen Mann versprochen ist. Am Ende sieht er keinen anderen Ausweg als den Selbstmord. Dramatik und Tragik sind schon vom ersten Takt der Ouvertüre an spürbar und steigern sich konstant bis zum emotionalen Finale.
"Während der Probe hat das Orchester mir gesagt: 'Oh mein Gott, was für ein Finale, emotional!' Ich denke, es ist eines der unglaublichsten Opernenden des gesamten Repertoires."
Die Titelrolle in Lüttich singt der mexikanische Tenor Arturo Chacón-Cruz. Die Rolle des Werther gilt in Fachkreisen als eine der technisch und emotional schwierigsten Partituren für Tenöre im gesamten Opernrepertoire. "Die Stimme erfordert Kraft und unendlich viele Nuancen. Es braucht einen großen Sänger und einen großen Interpreten wie unseren Arturo Chacón-Cruz", sagt Giampaolo Bisanti.
Herausragend ist auch die Sopranistin Clémentine Margaine in der Rolle der Charlotte, die hin- und hergerissen ist zwischen der Treuepflicht zu ihrem Mann und der unterdrückten Liebe zu Werther. Auffällig an Massenets Oper ist übrigens, dass es keinen traditionellen Chor gibt, nur einen Kinderchor, der am Anfang und am Ende der Aufführung ein Weihnachtslied singt.
Die Kinder der "Maîtrise de l‘Opéra Royal de Wallonie" machen hier einen tollen Job und tragen sehr zur Emotionalität der Lütticher Produktion bei. Genau wie die elegante und optisch überaus ansprechende Inszenierung von Regisseur Fabrice Murgia, mit dem Giampaolo Bisanti sehr freundschaftlich zusammengearbeitet hat. "Ich arbeite mit allen Regisseuren der Welt zusammen und möchte immer eine Atmosphäre der Freundschaft und Zusammenarbeit schaffen."
"Das Publikum wird das Vergnügen haben, großartige Sängerinnen und Sänger in einer wunderschönen und sehr emotionalen Show zu hören. Wir freuen uns, Sie alle in Lüttich zu sehen!" Dazu gibt es in den nächsten Tagen noch zweimal die Gelegenheit, nämlich am 19. und am 22. April - es lohnt sich auf jeden Fall.
Patrick Lemmens