Endlich hat das Warten hat ein Ende: In der Lütticher Oper wird wieder musiziert und gesungen, und was für tolle Musik steht da zum Auftakt der neuen Saison auf dem Programm. Mozarts "Idomeneo" wird auf italienisch gesungen und spielt sich ab vor dem Hintergrund des Trojanischen Kriegs. Idomeneo ist der König der Kreter, und nach dem Sieg gegen die Trojaner gerät er mit seiner Flotte in einen gewaltigen Sturm. Er verliert alle seine Schiffe und kommt selbst nur mit dem Leben davon, weil er dem Meeresgott Neptun verspricht, ihm den ersten Menschen zu opfern, dem er in seiner Heimat begegnet. Tragischerweise ist das sein Sohn Idamante.
Die gesamte Oper handelt dann einerseits davon, wie Idomeneo aus dem tödlichen Pakt mit Neptun herauskommt, ohne seinen Sohn töten zu müssen, und andererseits von Idamantes Liebe zu der gefangenen trojanischen Prinzessin Ilia und deren Rivalität mit Prinzessin Elektra von Mykene. Mozart hat aus dem Stoff eine sogenannte "Tragédie lyrique", eine lyrische Tragödie gemacht, und bereits in der Ouvertüre kann man die Spannung und Dramatik erahnen, die sich durch das ganze Werk ziehen wird.
Die Inszenierung in Lüttich macht dem Motto der neuen Spielzeit "(se) projeter" alle Ehre. Projiziert wird nicht nur im übertragenden Sinn Mozarts herrliche Musik in die Herzen des Publikums, sondern auch das Meer, das eine so wichtige Rolle in dieser Oper spielt, auf eine riesige Leinwand. Visuell ist die Produktion vom Feinsten, mit einer gesunden Mischung aus traditionellen Kostümen, zeitgenössischem Dekor und moderner Videotechnik.
Regisseur dieser Lütticher Inszenierung ist übrigens ein alter Bekannter in Lüttich, der ehemalige Direktor des Opernhauses, Jean-Louis Grinda. Und musikalisch ist "Idomeneo" sowieso ein Leckerbissen. Für das Orchester, aber auch für das Chorensemble ist das Stück eine Herausforderung, mit nicht weniger als acht Chorauftritten, für eine Mozart-Oper eine enorm hohe Zahl. Und die Partitur des Orchesters ist sehr anspruchsvoll, dabei aber enorm farbenfroh und bildhaft, fast schon wie Filmmusik. Mozart wechselt mühelos von Liebesszenen und idyllischen Melodien hin zu dramatischen Sturmbeschreibungen und Arien voller Verzweiflung und Not.
Neben Ian Koziara als Idomeneo ist in der Lütticher Inszenierung vor allem Nino Machaidze als Elektra hervorzuheben. Sie versprüht als unterlegene Liebesrivalin eine Leidenschaft und Verzweiflung, die das Publikum bei der Premiere restlos begeisterte. Auch die anderen Solisten lieferten eine hervorragende Leistung, aber für mich persönlich waren die Stars des Abends die Musikerinnen und Musiker des Orchesters unter der Leitung von Dirigent Fabio Biondi. Virtuos und sehr musikalisch brachten sie Mozarts wunderbare Musik zum Leben und bewiesen eindrucksvoll, dass Lüttich zu den besten Opernhäusern unseres Landes zählt.
Idomeneo wird noch bis zum 28. September in Lüttich gegeben, Zeit genug also, um diese tolle Produktion noch zu besuchen.
Patrick Lemmens