"I Lombardi alla prima Crociata" - "Die Lombarden auf dem ersten Kreuzzug" - ist die insgesamt vierte Oper von Giuseppe Verdi, und fast 30 weitere sollten im Lauf seiner Karriere noch folgen. "I Lombardi" entstand 1843, nur ein Jahr nach Verdis Riesenerfolg mit der Oper Nabucco, die den jungen Komponisten schlagartig bekannt machte.
Nabucco handelt von der Sehnsucht des jüdischen Volkes nach Befreiung aus der babylonischen Gefangenschaft, und auch bei "I Lombardi" steht das Thema Freiheit im Mittelpunkt, nämlich die Befreiung Palästinas aus den Händen der Seldschuken. Es ist kein Zufall, dass Giuseppe Verdi das Streben nach Freiheit und Selbstbestimmung so oft in den Mittelpunkt seiner Werke setzt, denn schließlich wuchs er als Italiener selbst in einem Land auf, das unter der Fremdherrschaft von Frankreich und Österreich-Ungarn stand. Ganz allgemein drücken Verdis Werke sehr oft große Ideale und große humanistische Botschaften aus, wie Daniel Oren meint, der israelische Dirigent der Lütticher Produktion von "I Lombardi".
Der Hintergrund der Handlung von "I Lombardi alla prima Crociata" ist also klar, die Story der Oper selbst ist allerdings sehr zerstückelt und springt zwischen den einzelnen Bildern und Akten von einem Standort zum nächsten. Alles beginnt bei einem Gottesdienst in Mailand, dann sind wir plötzlich bei den Seldschuken in Antiochia, dann vor den Toren von Jerusalem. Es wirkt fast, als habe Verdi einen monumentalen Spielfilm produzieren wollen, lange bevor das Medium Film erfunden worden ist, und dabei aus Zeitgründen viele Zwischenszenen weglassen müssen.
Dabei ist die Musik wirklich "typisch Verdi", melodiös und mitreißend; der Zuhörer wird gefesselt und erlebt gebannt die Emotionen der Hauptdarsteller, allen voran der schönen Lombardin Giselda, die von den Seldschuken gefangen wurde und sich im Harem in den Sohn des Sultans verliebt. Diese unmögliche Liebe zwischen einer Christin und einem verfeindeten Muslimen wird von Verdi wunderbar in Musik gesetzt. Warum diese Oper also so selten aufgeführt wird, liegt mit Sicherheit nicht an der Musik. Aber Verdi hat laut Daniel Oren in seiner weiteren Karriere so viele Meisterwerke abgeliefert, dass man einfach nicht alle im Repertoire behalten konnte.
Bei der Lütticher Produktion von "I Lombardi" verdient neben der Sopranistin Salome Jicia, die die Rolle der Giselda singt, vor allem das Orchester ein großes Lob, und mit ihm Dirigent Daniel Oren. Die Musiker spielen großartig, sind perfekt aufeinander eingestimmt und folgen genau den präzisen Dynamikabstufungen des Dirigenten. Auch der hervorragende Konzertmeister des Orchesters verdient eine besondere Erwähnung, weil er im vierten Akt ein enormes Violinsolo ganz wunderbar interpretiert.
Die Inszenierung von Regisseurin Sarah Schinasi ist übrigens sehr schlicht und statisch gehalten, um den Fokus vollständig auf die Sänger und die Musik zu richten. Das kann man mögen, oder auch nicht. Mir persönlich hätte etwas mehr Bewegung und Dekor auf der Bühne sicherlich gefallen. Alles in allem ist die Lütticher Produktion von "I Lombardi" aber sehr gelungen, vor allem was die musikalische Qualität betrifft. Bis Samstag gibt es übrigens noch zweimal die Gelegenheit, diese äußerst selten aufgeführte Oper mitzuerleben. Alle Infos gibt es wie immer unter operaliege.be.
Patrick Lemmens
wer zu den Lombardi abkommandiert wird, sollte zumindest die Tenorarie ( La mia letizia infondere) kennen, erwähnen von Caruso bis Kaufmann gesungen. Pavarotti und Carreras sangen auch szenische Aufführungen.