Das lange Warten hat endlich ein Ende: Der berühmt-berüchtigte "Concours Reine Elisabeth" 2023 stand ja schon in den Startlöchern, seit die Jury im März die Liste der 64 zugelassenen Kandidaten veröffentlicht hat. Am kommenden Sonntag geht es jetzt aber mit der ersten Runde des Wettbewerbs so richtig los. Dabei ist bei einer Ausgabe für Gesang alles ein wenig kompakter gestaltet als bei den anderen Ausgaben des Wettbewerbs, bei denen ja abwechselnd die Violine, das Klavier und das Cello im Mittelpunkt stehen.
Im letzten Jahr war beispielsweise das Cello an der Reihe, und die Auftritte der Kandidaten in den drei Runden verteilten sich über insgesamt 18 Tage; in diesem Jahr sind es insgesamt nur sieben Tage. Das liegt daran, dass die Stimme einer Sängerin oder eines Sängers nicht durch allzu lange Auftritte beschädigt werden soll. Bei Instrumentalsolisten ist die Ausdauer schon wesentlich weniger problematisch, und dementsprechend länger die Dauer der Darbietung jedes einzelnen Kandidaten.
Konkret geht es jetzt also am Sonntag los mit der ersten Runde, und zwar im Kulturzentrum Flagey in Brüssel. Jeder Teilnehmer wird in dieser Runde zwei Werke seiner Wahl mit Klavierbegleitung präsentieren; das kann ein Lied sein, eine Opernarie oder ein Auszug aus einem Oratorium. Sowohl am Sonntag als auch am Montag werden so jeweils 32 Kandidaten quasi im Schnelldurchgang ihren Erstrunden-Auftritt absolvieren, und am späten Montagabend wird die Jury dann schon die Namen der 24 Sängerinnen und Sänger verkünden, die den Einzug in die zweite Runde geschafft haben.
Diese zweite Runde findet dann nur zwei Tage später statt, am 24. und 25. Mai. Nach dieser zweiten Runde müssen dann noch einmal zwölf Kandidaten nach Hause fahren, während die übrigen eine Woche Zeit bekommen, um sich in Ruhe auf ihren Final-Auftritt vorzubereiten.
Das Finale findet dann ab dem 1. Juni an drei aufeinanderfolgenden Abenden im Bozar in Brüssel statt, und am 3. Juni gegen Mitternacht werden wir wissen, wer die Nachfolge von Samuel Hasselhorn antreten wird, der 2018 den letzten Concours Reine Elisabeth für Gesang gewonnen hatte. Ein Sieg bei diesem renommierten Wettbewerb bedeutet für einen Musiker oder einen Sänger übrigens in den allermeisten Fällen einen enormen Karriereschub, wie das Beispiel des deutschen Baritons Hasselhorn zeigt. Er ist mittlerweile international als Opern- und Liedsänger etabliert und gibt regelmäßig Konzerte in der ganzen Welt.
A propos Concours 2018: Damals haben es insgesamt zwei belgische Künstlerinnen bis ins Finale geschafft. Marianne Croux gewann den sechsten Preis, und Charlotte Wajnberg befand sich unter den sogenannten Laureaten, also den Finalisten, die es nicht auf die Plätze eins bis sechs geschafft haben. Auch in diesem Jahr gibt es wieder Teilnehmer aus unserem Land, beziehungsweise Teilnehmerinnen, denn es sind ausnahmslos Damen, die Belgien beim Königin-Elisabeth-Wettbewerb vertreten. Ob eine oder sogar mehrere von ihnen es in die zweite Runde schaffen, das werden wir also am kommenden Montagabend wissen.
Die Konkurrenz ist übrigens groß: Unter den 64 Teilnehmern sind Kandidaten aus 20 Nationen, darunter sage und schreibe 18 junge Talente aus Korea - das ist mehr als ein Viertel aller Teilnehmer. Die Frauen sind ganz klar in der Überzahl, 44 gegenüber nur 20 Männern. Dementsprechend sind die Stimmlagen auch ungleich verteilt, 28 Soprane und 15 Mezzo-Soprane stehen gerade mal einer Altstimme, sieben Tenören, neun Baritons und vier Bässen gegenüber.
Nicht nur im Hinblick auf die weitere Karriere ist eine gute Platzierung beim Concours Reine Elisabeth eine gute Sache, auch finanziell lohnt sich die Anstrengung für die Finalisten: Die Siegerin oder der Sieger darf sich über ein Preisgeld in Höhe von 25.000 Euro freuen, der oder die Zweitplatzierte erhält 17.000 Euro, und die Finalisten auf den Plätzen sieben bis zwölf können immerhin noch mit 4.000 Euro nach Hause fahren.
Aber bis dahin ist es für die 64 Teilnehmer am Königin-Elisabeth-Wettbewerb für Gesang noch ein weiter und anstrengender Weg, auf dem wir Musikliebhaber sie gerne als Zuhörer begleiten, sei es live im Konzertsaal, an den Fernsehbildschirmen oder bei den sehr populären Livestreams im Netz, übrigens eine der wenigen positiven Dinge, die die Corona-Pandemie der letzten Jahre bewirkt hat. Aber Corona ist beim Concours kein Thema mehr, und ab Sonntag werden wieder Tausende Klassikfans im Konzertsaal den vielversprechenden Talenten bei einem der wichtigsten Auftritte ihrer noch jungen Karriere zuhören.
Patrick Lemmens