Vor lauter Freudentränen konnte er kein Interview geben: Simon Geschke war total überwältigt von seinem Etappensieg in Pra Loup. "Seit 15 Jahren träume ich von einem Tagessieg bei der Tour de France", sagte Geschke, für den es überhaupt erst der dritte Erfolg seiner Karriere war. Aber es war ein verdienter Erfolg, denn Geschke fuhr sich schon vor dem letzten Berg einen Vorsprung von zwei Minuten heraus und kam so einer Rückkehr der Bergspezialisten zuvor. Der Amerikaner Andrew Talansky kam erst mit einem Rückstand von 37 Sekunden als Zweiter ins Ziel. Dritter wurde der Kolumbianer Rigoberto Uran über eine Minute hinter dem Sieger.
Für den Briten Christopher Froome war es keine leichte Etappe, aber er meisterte erneut alle kritischen Situationen.
Am Ruhetag hatte der Kolumbianer Quintana den Journalisten noch erzählt, ein zweiter Platz hinter Froome sei für ihn eine große Ehre. Am Tag danach war derselbe Quintana der erste Angreifer und lockte das gelbe Trikot schon früh aus der Reserve. Doch Froome konterte den Angriff ohne Probleme.
Opfer des Angriffs von Quintana war der Dritte der Gesamtwertung, der Amerikaner Teejay Van Garderen, der abgehängt wurde, einen schlechten Tag hatte und schon zur Hälfte der Etappe völlig entkräftet aufgeben musste. Neuer Dritter der Gesamtwertung ist jetzt der Spanier Alejandro Valverde hinter seinem Teamgefährten Nairo Quintana auf Platz zwei. Die Movistar-Mannschaft machte sogar in der letzten Steigung Führungsarbeit für Christopher Froome, um den dritten Platz von Valverde zu festigen, nachdem Alberto Contador gestürzt war und am Ende zwei Minuten auf die Gruppe des Gelben Trikots verlor.
Die Etappe führte die Fahrer nach Pra Loup, wo Eddy Merckx 1975 sein gelbes Trikot an Bernard Thévenet verlor. Das war der Anfang vom Ende der einmaligen Karriere des Kannibalen. Eddy Merckx verlor nicht nur diese Etappe, sondern auch die Tour, und damit die letzte Chance, das schwerste Etappenrennen der Welt zum sechsten Mal zu gewinnen und zum alleinigen Rekordhalter zu avancieren.
Die beiden besten Belgier der Gesamtwertung heute, 40 Jahre danach, sind Serge Pauwels (Platz 15) und Jan Bakelants (Platz 19). Pauwels nutzte die Gelegenheit, dass beide Belgier mit einer Ausreißergruppe von 28 Fahrern im Mittelstück der Etappe vorne lagen, um Punkte für die Bergwertung zu sammeln. Vielleicht gelingt es Serge Pauwels ja, in die Fußstapfen eines Lucien Van Impe als letztem belgischen Bergkönig zu treten.
Sieben Berge stehen am Donnerstag auf dem Programm der 18. Etappe von Gap nach Saint-Jean-de-Maurienne. Hauptschwierigkeit ist der Col du Glandon, ein Berg "hors catégorie", 40 Kilometer vor dem Etappenziel. Eine letzte Gelegenheit für das Team Movistar von Nairo Quintana, die Taktik zu wechseln und Christopher Froome vielleicht doch noch in Schwierigkeiten zu bringen. Viel Zeit bleibt nicht mehr bis zum Showdown am Sonntag in Paris.
Werner Barth - Bild: David Stockman/BELGA