Tom Boonen, weshalb sind Sie beim 25-Stunden-Rennen im VW Fun Cup hier in Francorchamps dabei?
Es ist eine tolle Veranstaltung. Ich habe letztes Jahr zum ersten Mal teilgenommen. Eben kam noch ein Australier, um mich um ein Foto zu bitten. Da habe ich mir gesagt: Australien! Es ist echt ein breites Teilnehmerfeld. Die Menschen kommen aus der ganzen Welt, um hier mitmachen zu können. Es ist eine sehr freundschaftliche, familiäre Atmosphäre. Die Kinder sind gerade erst nach Hause. Es ist eine der einzigen Veranstaltungen, bei der die ganze Familie mitkommt. Für mich ist es der erste Auftritt dieses Jahr im Funcup. Ich habe zwar schon ein ordentliches Programm hinter mir, aber ich wollte unbedingt dabei sein.
Was haben Sie aus dem ersten Auftritt beim VW Fun Cup letztes Jahr hier gelernt?
Es ist ein Langstrecken-Rennen, es hängt von sehr vielen Faktoren ab. Es geht vor allem darum, auf der Strecke zu bleiben. Außerdem muss man auch schonmal sein Ego auf Seite lassen und jemanden vorbei lassen, um eine Kollision zu vermeiden. Es geht nicht um pure Geschwindigkeit, sondern um Durchhaltevermögen. Und Spa ist eine tolle Strecke, noch dazu mit dem schönen Wetter. Ein Top-Wochenende!
Wie kommt es, dass Sie nach ihrer Karriere als Radprofi nun eine zweite "Karriere" im Automobilsport gestartet haben?
Ich habe mein ganzes Leben gerne Autorennen gesehen. Ich bin als Kind schon mit meinem Großvater und meinem Vater an der Strecke gewesen. Ich habe mich immer für Rennen, Rennautos und Mechanik interessiert. Schon am Ende meiner Radkarriere, die letzten sieben oder acht Jahre, bin ich viel auf Rennstrecken gefahren - allerdings keine Rennen. Ich habe gewartet, bis meine Radkarriere vorüber war. Und dann bin ich ein paar Wochen später mein erstes Rennen gefahren, nachdem ich meine Rennlizenz gemacht hatte. Ich bin die Euro-Nascar-Serie, die Belcar-Meisterschaft und noch ein paar andere Rennen gefahren.
Hört sich nach einem guten Programm an!
In der Euro Nascar gibt es sechs Rennwochenenden, in der Belcar auch. Allerdings gibt es auch Überschneidungen, ich kann also nicht jedes Rennen fahren. Ich bin auch die 24 Stunden von Dubai gefahren und werde noch ein paar andere Rennen fahren. Insgesamt bin ich also etwa 15 Wochenenden unterwegs. Ein netter Zeitvertreib und mir bleibt Zeit für die Familie. Außerdem ist es meistens nicht so weit weg und ich kann meine Familie mitnehmen. Das ging früher nicht, jetzt aber schon. Das gefällt mir sehr.
Wie wichtig ist der Automobilsport für Sie persönlich?
Für mich ist es eine zweite Leidenschaft. Ich war knapp 20 Jahre Radprofi. Als das zu Ende war, musste ich eine neue Herausforderung finden. Mir war wichtig, etwas zu finden, was ich gerne mache und was mich fordert, damit ich auch fit bleibe. Und ich wollte nicht einfach nur trainieren, laufen gehen oder Fitness machen, ohne ein Ziel vor Augen. Jetzt kann ich meine zweite Leidenschaft ausleben und es ist Motivation, um mich fit zu halten.
Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Radrennen und Autorennen?
Langstreckenrennen sind natürlich etwas anderes. Aber bei den Sprintrennen, wie zum Beispiel den Nascar-Rennen über eine halbe Stunde, bei denen man um Positionen kämpft, da kommen doch die alten Instinkte wieder zum Vorschein. Du spürst, wann du deinen Platz verteidigen musst und wann nicht.
Wer gewinnt dieses Jahr die Tour de France?
Ich habe gehört, dass Froome gefallen ist. Dieses Jahr ist also alles möglich, ich kann es nicht sagen. In der ersten Woche gibt es immer viel Action, Spektakel und Stürze. Und bestimmt mit den Kopfsteinpassagen von Paris-Roubaix. Die Bretagne ist auch nicht einfach, mit vielen schmalen Passagen, oft schlechtem Wetter und Wind. Es gibt vier oder fünf Topfavoriten. Wer mit den wenigsten Schrammen aus der ersten Woche kommt, hat sicher die besten Chancen. Chris Froome ist der Stärkste, aber es gibt doch ein paar Männer, die ihn angreifen können, falls er Schwäche zeigt.
Sehen Sie sich noch Radrennen im Fernsehen an?
Ich habe die Klassiker fast alle gesehen. Der Rest ist ein bisschen an mir vorbei gegangen. Aber für die Klassiker bleibe ich zu Hause oder schaue mir sie irgendwo anders an. Allerdings wird es jetzt für die Tour de France schwierig, weil ich für eine Woche nach Afrika aufbreche. Wir arbeiten gerade an einer TV-Show. Ich bin sehr neugierig, das ist auch für mich Neuland.
25-Stunden-Rennen: Saisonhöhepunkt des VW Fun Cups in Spa-Francorchamps
Katrin Margraff