Ob soziale Medien und Smartphones die mentale Gesundheit von Jugendlichen verschlechtern, darüber wird in Wissenschaft und Politik seit geraumer Zeit gestritten. Sicher ist jedoch: Zahlreiche Studien warnen, dass sich die psychische Gesundheit junger Menschen seit etwa 2010 deutlich verschlechtert hat. Auf Anweisung von Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke sollte auch der Hohe Gesundheitsrat den Einfluss von Bildschirmen und sozialen Medien auf Kinder und Jugendliche prüfen. Einige Experten sprachen sich dabei für ein Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige aus, andere dagegen.
Schlussendlich plädierte der Rat, dass ein strenges Verbot wohl nicht zielführend sei, denn soziale Medien hätten auch positive Seiten. Sie seien Orte der Sozialisierung, der Identitätsentwicklung, des Austauschs und der Freundschaft. Ein striktes Verbot könne die Rechte von Kindern und Jugendlichen einschränken, etwa auf Meinungsäußerung oder den Zugang zu Informationen. Stattdessen fordern die Experten, Kinder und Jugendliche besser bei der Nutzung sozialer Medien zu begleiten und zu unterstützten.
Kaleido sieht die Schlussfolgerung kritisch. "In der Deutschsprachigen Gemeinschaft und auch darüber hinaus haben wir auf nationaler und internationaler Ebene schon gute Ansätze und Projekte in Sachen Medienerziehung. Zu glauben, dass wir die Medienerziehung nur ein bisschen ausbauen müssten, und schon wäre das Problem gelöst, ist in unseren Augen teilweise naiv. Wir dürfen die Eltern und Schulen hier nicht alleine lassen", erklärt Manfred Kohnen von Kaleido.
Stattdessen fordert Kaleido ein ganzheitliches Angebot zur Prävention im Internet und in den sozialen Medien, bestehend aus Sensibilisierung, dem Ausbau der Medienerziehung und Regulierung. Denn die Lage sei dramatisch. "Wir sprechen hier von einer Verschlechterung der Raten bei Ängsten, Depressionen, und sogar Suiziden und das nicht zu fünf oder zehn Prozent, sondern teilweise von 100, 200 oder 500 Prozent. Die Suizidversuche, die zu einer Krankenhauseinweisung bei Jugendlichen geführt haben, haben sich zwischen 2013 und 2024 verdoppelt." Besonders betroffen seien junge Mädchen.
Technologiekonzerne in die Pflicht nehmen
In einer Sache sind sich der Gesundheitsrat und Kaleido aber einig: Die Technologiekonzerne müssen dringend zur Verantwortung gezogen werden. "Die Algorithmen gehören kontrolliert, da müssen stärkere Vorgaben kommen. Die EU hat zwar vor ein paar Jahren den Digital Service Act verabschiedet, aber das greift noch nicht."
Als Vorbild nennt Manfred Kohnen Australien. Dort gilt seit Mittwoch ein umfassendes Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige. "Australien hat verstanden, dass das Problem nicht bei den Eltern bleiben darf. Deshalb hat das Land die Technologiekonzerne in die Verantwortung genommen. Es gibt eine strenge Regulierung und die Konzerne müssen das kontrollieren. Wenn sie das nicht tun, droht ihnen eine Strafzahlung von 30 Millionen Euro. Das hat schon dazu geführt, dass Snapchat Änderungen vorgenommen hat."
Auch wenn der wissenschaftliche Nachweis eines kausalen Zusammenhangs von schlechterer mentaler Gesundheit und den sozialen Medien noch nicht erbracht sei, Nichtstun sei der falsche Weg. "In dem Bericht des Hohen Gesundheitsrats werden drei Faktoren genannt, die an der Verschlechterung der mentalen Gesundheit seit 2010 liegen könnten: Armut, soziale Ungleichheit und schulischer Leistungsdruck. Bei aller Liebe, aber das ist fast schon absurd", sagt Manfred Kohnen.
"Als wären diese Faktoren seit 2010 und insbesondere bei Mädchen durch die Decke gegangen. Das ist ganz einfach nicht wahr. Wir sagen ja auch nicht, dass das Internet oder Smartphones und soziale Medien die einzigen Gründe für die Entwicklung sind. Da gibt es auf jeden Fall eine Wechselwirkung mit anderen Faktoren. Fakt ist aber, dass es bisher keine bessere und plausible Erklärung für die Verschlechterung der mentalen Gesundheit gibt. Und wer auf den kausalen Zusammenhang wartet, der wird noch Jahrzehnte verstreichen lassen, in denen er mit der Gesundheit unserer Kinder spielt."
Schon im vergangenen Jahr hatte Kaleido einen Bericht über die Folgen einer "telefonbasierten Kindheit" veröffentlicht – mit der Forderung nach einem Handyverbot in Schulen und einem Social-Media-Verbot für Jugendliche unter 16 Jahren. Das Handyverbot wurde in den Schulen der DG inzwischen umgesetzt - auch mit positiven Rückmeldungen von Schülern. Im Rahmen eines Resolutionsvorschlags von Vivant zu einem Mindestalter für Social Media wurde Kaleido auch im PDG angehört.
"Wir sind hocherfreut, dass Ostbelgien und die Wallonie schon ein Smartphone-Nutzungsverbot in den Schulen eingeführt haben. Das war konsequentes und schnelles Handeln. Bei der Anhörung im PDG war übrigens auch ein Universitätsprofessor und Neuropsychiater aus Flandern, der unserer Meinung war und sich da noch deutlicher ausgedrückt hat als wir. Auch der flämische Verband der Kinderpsychiater fordert, dass Dinge sich ändern."
Der Resolutionsvorschlag im PDG ist bislang noch nicht verabschiedet worden. Doch auch auf Ebene der EU tut sich etwas. Ende November wurde im EU-Parlament mit großer Mehrheit ein Bericht angenommen, an dem auch der ostbelgische Abgeordnete Pascal Arimont und Yvan Verougstrate beteiligt waren. Auch in diesem Dokument wird eine einheitliche Altersbeschränkung für soziale Medien ab 16 Jahren und eine stärkere Regulierung der Konzerne gefordert. Ob Ostbelgien oder die gesamte EU dem australischen Beispiel folgen werden, bleibt abzuwarten.
Lindsay Ahn
Wenn man Heute mit vor 30 Jahren vergleicht, wirkt das fast wie eine andere Welt.
Klar ändert sich da Vieles, aber so abhängig von einem Smartphone zu sein........
Klar nutze ich Whatsapp um mit Verwandten in Kontakt zu bleiben per Wifi oder Audiothek des ARD, oder Radiosender, Wetter KMI etc.
Aber das ich ständig das Teil (das ich noch nicht mal immer bei mir habe) alle paar Minuten raus zu holen, und ständig alles checken zu müssen, das wäre mir echt zuviel Zeitverschwendung ;-)))