Das Hotel Al Madina befindet sich in der Altstadt von Bizerte, fast schon versteckt in einer kleinen Gasse und umgeben von der historischen Stadtmauer, die an das reiche kulturelle Erbe der Stadt erinnert, das bis in das erste Jahrtausend vor Christus zurückreicht.
Dass das kleine Hotel in der Medina zum heutigen Lebensmittelpunkt von Sabrina Carl und ihrem Partner Mo geworden ist, war - wie so oft im Leben - purer Zufall. Da Mo Familie in Tunesien hat, waren die beiden dort im Urlaub. Auf der Suche nach einer Unterkunft entdeckten sie in der Medina ein Café.
"Eigentlich wollten wir nur ein Zimmer mieten, aber das ging nicht, da das Gebäude schon seit fünf Jahren nicht mehr als Hotel genutzt wurde", erklärt Sabrina Carl.
"An der Wand hing ein Schild mit einer Whatsappnummer, bei der wir uns dann gemeldet haben. Wir haben uns dann sehr schnell sehr gut mit dem Besitzer des Gebäudes angefreundet und dann hat er uns angeboten, das Hotel zu führen. Wir haben innerhalb von zwei Wochen entschieden, dass wir auswandern und das Hotel eröffnen werden."
Das war im Januar, danach ging alles ganz schnell. Innerhalb von nur zwei Monaten erstellte das Paar ein Konzept für das Hotel. Im April wanderten sie aus. "Wir haben unsere Wohnung gekündigt, alles mitgenommen und in ein Auto gepackt. Wir hatten unser ganzes Leben in einem Auto und haben dann die Fähre genommen, von Genua bis nach Tunis. Das, was wir jetzt hier haben, haben wir uns mit unseren eigenen Händen aufgebaut."
Im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Eröffnung war für den 15. Mai angesetzt und entgegen aller Erwartungen musste in dem Gebäude nahezuh alles neu gemacht werden: von den Wasser- und Stromleitungen über Internetverbindungen bis hin zur Einrichtung. Die ersten Buchungen sind währenddessen schon eingegangen. "Wir hatten hier einige Tage ohne Schlaf, in denen wir weitergearbeitet haben, um rechtzeitig öffnen zu können. Das war wirklich nicht einfach", erklärt Mo.
"Es waren schon 16- bis 20-Stunden-Tage für zweieinhalb Wochen. Das war schon krass. Man trifft da bei sich selbst auf ganz andere Grenzen. Und man muss natürlich auch immer eine Art Maske aufsetzen vor den Handwerkern und den Mitarbeitern. Man muss immer ausstrahlen, dass alles klappt und alles gut wird, auch wenn man sich selbst vielleicht etwas anderes denkt", ergänzt Sabrina.
'Ein Sprint auf Marathonart', wie Mo es nennt. Denn nicht nur das Gebäude musste auf Vordermann gebracht werden, auch die tunesische Bürokratie machte den beiden fast einen Strich durch die Rechnung.
"Ende Februar war ich beim Ministerium und da schaute mich die Frau von der Verwaltung an und sagte: 'Das mit der Eröffnung im Mai kannst du schonmal vergessen. Vor sieben bis neun Monaten gibt es von uns keine Zulassung, die Bearbeitungszeit ist einfach zu lang. Wir können es aber gerne so machen, dass du in der nächsten Saison eröffnen kannst.'"
"Und dann steht man da und muss sich die Frage stellen, was man mit den Reservierungen macht. Wir waren zum Eröffnungstag schon komplett ausgebucht, weil wir mit den bereits vorhandenen Bildern schon Werbung gemacht hatten. Am Ende haben wir es aber doch geschafft, die Zulassung für das Hotel zu bekommen."
Inzwischen läuft das Hotel seit rund drei Monaten erfolgreich. Die meisten Gäste kommen aus Europa, aber auch Kanadier waren schon zu Gast. "Wir haben das Feedback bekommen von den Gästen, dass sie das Gefühl haben, dass es anders ist als in anderen Hotels. Die Gäste können zum Beispiel auch unsere Kühlschränke benutzen, die wir hier haben. Sie kommen in die Küche, wir gehen zusammen essen. Es passiert hier sehr viel auf Augenhöhe. Auch wenn die Nacht oder der vorherige Tag hart war, freuen wir uns immer, jeden Morgen nach hier zu kommen und mit den Gästen zu frühstücken."
Im Gegensatz zu Mo ist das Leben in Tunesien für Sabrina eine völlig neue Erfahrung - und eine sehr positive. "Es ist einfach anders, man geht auf die Straße und man trifft direkt Menschen, die einen anlachen. Es gibt hier keine Negativität in dem Sinne und das ist ganz anders als dort, wo wir herkommen. Ich habe das Gefühl, in Belgien schaut jeder eher nach sich, aber das ist hier überhaupt nicht der Fall."

Auch die Familie der 26-Jährigen unterstützt das Projekt. Dass Sabrina nicht in Belgien bleiben würde, war ihren Eltern und ihrem Bruder schon lange klar. Ihre Freunde seien von ihrem Plan auszuwandern dann aber doch überrascht gewesen. "Alle waren so ein bisschen traurig, dass wir gehen, aber andererseits haben sie sich auch gefreut, denn sie wissen, dass für jeden hier ein Zimmer bereitsteht, wenn sie uns besuchen wollen."
Bei den Mitarbeiterinnen des Hotels handelt es sich um sogenannte Volunteers aus aller Welt. Eine Erfahrung, die Sabrina Carl während ihres Studiums an der RWTH mehrfach geteilt hat. "Neben meinem Bachelor und Master bin ich immer mindestens vier bis fünf Monate durch die Welt gereist und habe dort positive und negative Erfahrungen gesammelt. Mir persönlich hat beim Volunteering immer so ein Platz gefehlt, an dem sich Frauen wohlfühlen."
"Frauen haben auch andere Bedürfnisse als Männer und möchten zum Beispiel mehr Sicherheit und deshalb haben wir uns überlegt, dass dieses Hotel so ein Ort werden soll. Wir haben hier also nur Frauen, die für uns arbeiten kommen, um einen 'safe-space' zu schaffen. Wir haben hier Frauen, die sind zwischen 19 und 23. Wir haben aber auch Frauen, die sind 55 oder 74."

So etwas wie einen Fünfjahresplan haben Sabrina und Mo nicht. Zwar kommen dem Paar immer wieder Ideen für weitere Projekte, die nächsten ein bis zwei Jahre wollen die beiden aber gezielt dazu nutzen, das Hotel weiter zu etablieren. "Also es wird wahrscheinlich nicht immer nur das Hotel geben, aber wir werden jetzt erstmal versuchen, die Füße still zu halten."
"Was wir jetzt noch gerne in dem Hotel selbst etablieren wollen, ist ein gewisser Reitertourismus. Ab Herbst werden wir mit verschiedenen Ranches zusammenarbeiten, um uns mehr in der Reiter-Community zu etablieren. Gerade in Bizerte gibt es sehr viele Ställe, die auch Distanzritte anbieten. 40 oder 80 Kilometer pro Tag - das würden wir gerne für Touristen anbieten."
Sabrina Carl hat schon immer gewusst, dass sie nicht in Belgien bleiben will. Das Leben ist ihr zu geradlinig. In Tunesien hat die Walhornerin ein Zuhause gefunden, nach dem sie lange gesucht hat. Hier möchte sie erst einmal bleiben und hat sich dafür auch Ziele gesetzt.
"Ich verstehe den tunesischen Dialekt inzwischen schon richtig gut und möchte bis zum Winter auch gut sprechen und auf Arabisch lesen und schreiben können. Das ist natürlich auch wichtig, wenn man in ein Land wie Tunesien auswandert: dass man nicht nur die zweite Landessprache spricht, sondern auch Arabisch. Aber ja, Tunesien ist mein Zuhause geworden."
Lindsay Ahn
Meinen Respekt für euch Beide. Ich bin auch mit einem tunesischen Mann verheiratet und sind auch jedes Jahr bei seiner Familie in Tunis. Es stimmt wirklich was du von den Menschen sagst ...Man fühlt sich immer willkommen und die Leute sind freundlich. Ich wünsche Euch alles Liebe. Ganz liebe Grüße Annett Naouech