Die Provinz Lüttich, die Gemeinde oder doch die DG? Wer kümmert sich um den Bau von Sportplätzen? Genau mit solchen Fragen wurden die Schüler beim Projekt "Wie geht denn Belgien?" konfrontiert. Ziel des Projekts war es, den Schülern das politische System in Belgien mit seinen sechs Ebenen näher zu bringen. Mit dabei waren Politiker aus genau diesen Ebenen: Gemeinde, Provinz, Region, Gemeinschaft, Föderalstaat und EU.
Nach einer kurzen Einführung ging es auch schon los. Die rund 130 Schüler vom RSI und vom Königlichen Athenäum wurden in gemischte Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe hat im Verlauf des Vormittags vier Workshops besucht. Jeder Workshop hat sich mit genau einer Ebene befasst. Am Ende des Tages hat also jeder Schüler Workshops zu vier der sechs Ebenen besucht.
Organisiert wurde das Projekt von sechs Einrichtungen: dem Rat der deutschsprachigen Jugend, der Jugendinfo, dem Parlament der DG, Europe Direct, der Ocarina und dem Institut für Demokratiepädagogik.
Lara Bongartz ist Koordinatorin des Rats der deutschsprachigen Jugend und hat das Projekt mitorganisiert. Sie erzählt, dass sie den Schülern die politischen Ebenen in einem Begleitheft anhand von Alltagsbeispielen erklären möchten. "Das sind ganz banale Sachen. Wir haben versucht, uns einen normalen Tagesablauf auszudenken. Das fängt dann an mit einer Person, also dem Philip, wie wir ihn in unserer fiktiven Welt genannt haben, der aufsteht und morgens von seinen Eltern gebeten wird, den Müll rauszutragen und sich dann die Frage stellt, wer sich eigentlich um die Müllentsorgung kümmert. Dann fährt der Philip mit seinem Fahrrad zur Schule und auf dem Schulweg entdeckt er dann die neuen Elektrobusse von der TEC. Wer ist denn eigentlich für diesen ganzen Schülertransport zuständig oder generell für den Transport? All solche Sachen werden dort besprochen. Wir haben versucht, Alltagsbeispiele zu nehmen."
Genau das hält auch DG-Parlamentspräsidentin Patricia Creutz-Vilvoye für sinnvoll. Vor allem die alltagsnahen Beispiele würden den Schülern dabei helfen, das belgische System besser zu verstehen. "Die jungen Menschen interessieren sich für das Thema, aber ich glaube, sie sehen im Moment vielleicht noch nicht immer den direkten Bezug zur Politik. Wenn man dann auf konkrete Projekte eingeht und über Sportplätze, über Kultur oder über den BRF, also über unsere Medien, spricht, merkt man sehr wohl, dass sie das verknüpfen."
Dabei haben die Schüler herausgefunden, dass manche Kompetenzen nicht nur einer Ebene zugeordnet werden können. Darüber hinaus könne das Projekt etwas leisten, was in der Schule nicht geleistet werden kann: Austausch - sowohl zwischen den Schülern und den Politikern, als auch zwischen den Schülern der beiden Schulen.
Abdul ist 17 Jahre alt. Er besucht die fünfte Sekundarschulklasse des RSI. Vor dem Projekt habe er nicht so viel Ahnung vom politischen System gehabt. Bei der Europawahl habe er deshalb das gewählt, was auch seine Eltern gewählt haben. Für kommende Wahlen fühle er sich jetzt besser informiert. "Es war sehr interessant, weil man nicht immer die Möglichkeit hat, so nah an einem Politiker zu sein und im direkten Austausch zu sein. Ich hatte selber auch ein paar Fragen und die wurden mir auch sehr gut beantwortet. Für die nächsten Wahlen fühle ich mich sicherer und ich habe jetzt mehr Ahnung."
Die Projekte zur politischen Bildung würden von Lehrern und Schülern gut angenommen werden, erklärt Lara Bongartz. Mit ihren Projekten würden die Organisatoren auch auf einen Bedarf reagieren, den ihnen die Schulen rückmelden. "Ich glaube, das Kernproblem, wenn man es so nennen kann, ist eher der Fakt, dass sich viele Lehrer nicht an dieses Thema herantrauen, gerade weil es so kompliziert ist und weil man sich vielleicht gerade auch als junger Lehrer vielleicht nicht unbedingt da herantraut, den Schülern so etwas zu vermitteln, weil man Angst hat, etwas Falsches zu sagen oder etwas, das nicht stimmt."
Lehrerin Katelijne Wolfs behandelt das Thema jedes Jahr in ihrem Unterricht. Ihr sei durch den Vormittag aber auch noch einmal bewusst geworden, wie komplex das belgische System sei. Sie habe auch nicht alle Antworten auf alle Fragen parat.
Zum Projekt ist sie mit zwölf Schülern des RSI gekommen. Das Interesse ihrer Schüler an Politik sei größer gewesen als erwartet. "Für meinen Unterricht nehme ich auf jeden Fall mit, dass es die Schüler doch mehr interessiert, als ich dachte und dass es auch wichtig ist für sie, zu verstehen, wie Belgien aufgebaut ist. Ich glaube, dass sie ebenfalls mitnehmen, dass Belgien wirklich kompliziert ist, aber auch, dass dieser Austausch heute möglich war, dass die Politiker für sie heute Vormittag da waren. Das werden sie auf jeden Fall mitnehmen und das hat sie auch beeindruckt. Das haben sie mir schon gesagt."
Die Beispiele aus dem Begleitheft will sie im Unterricht auch noch einmal nachbereiten. Ihre Schüler haben durch das Projekt nicht nur etwas über die sechs Ebenen gelernt. Im Gespräch mit den Politkern sind auch ganz aktuelle Debatten aufgekommen: zum Beispiel die Abschaffung der Provinzebene oder die Abgabe von Kompetenzen von einer auf eine andere Ebene. Und die Schüler haben einen Einblick in den Alltag als Politiker erhalten.
Josefina Evers