Mehr als 200 Artikel, 32 Abänderungsvorschläge ... für die Ecolo-Abgeordnete Fabienne Colling war das Zustandekommen "dieses Mammutdokuments ziemlich peinlich": "Sie stellen die Leute systematisch vor vollendete Tatsachen. Warum reden Sie nicht vorher? Wir sind in der DG. Näher kann man dem Terrain nicht sein. Warum planen Sie nicht ausreichend Zeit ein?", fragte Colling.
"Viele mussten sich erst bemerkbar machen, damit man ihnen überhaupt zuhört. Und das Resultat ist das, was wir auch in den kommenden Monaten noch einige Male sehen werden, nämlich eine regelrechte Springprozession in ihren Entscheidungen: Drei Schritte vor, zwei Schritte zurück und dazwischen ein paar Purzelbäume."
Colling hob darauf ab, dass die Regierung die Urheberin des Textes sei, der von den Mehrheitsfraktionen eingereicht wurde - eine seit langem gängige Praxis, an der sich aber auch Alain Mertes für Vivant stieß. "Es ist eigentlich ein Unding, dass dies seit 2003 so gehandhabt wird, dass die Regierung sehr, sehr viele Programmdekrete als Vorschläge hier hinterlegt hat, über die Abgeordneten, die es dann einreichen. Ich kann mich nicht erinnern, dass tatsächlich jemals von Seiten der Regierung dann auch ein Staatsratsgutachten angefragt wurde", so Mertes.
Genau das hatte die Opposition gefordert - vor allem mit Blick auf die schon im Dezember verabschiedeten dringlichen Sparmaßnahmen. "Siehe da, plötzlich war es möglich, die geplanten Dekretänderungen in ein kürzeres, nur 28 Artikel umfassendes und vor Jahresende zu verabschiedendes Dekret sowie in ein längeres und weniger dringendes Dekret von 204 Artikeln aufzuteilen", sagte Kirsten Neycken-Bartholemy (SP).
"Warum die unbegründete Eile mit dem Ursprungsvorschlag vom 8. November 2024? Wollte man das Parlament mit den zahlreichen neuen Mitgliedern und vor allem die Opposition überrollen? Oder ging es vor allem darum, das Staatsratsgutachten zu umgehen?"
Trug die SP früher als Mehrheitspartner noch selbst diese Praxis mit, wurde sie nun zu einer Prinzipienfrage, wie Freddy Cremer (ProDG) festhielt. "Die Oppositionsparteien haben dieses Staatsratsgutachten wie eine Monstranz durch die Ausschussberatungen getragen, weil laut ihrer Interpretation der Staatsrat die Opposition in ihrer ursprünglichen Kritik an der Vorgehensweise beim Programmdekretvorschlag bestätigt."
"Ist dem wirklich so? Der Staatsrat sagt vollkommen zu Recht, dass wesentliche Änderungen oder Neuregelungen nicht durch Programmdekretvorschläge eingeführt werden sollen, da dadurch die Begutachtungspflicht ausgehöhlt würde. Der Staatsrat stellt aber fest, ich zitiere, 'dass das hier nicht der Fall zu sein scheint'", unterstrich Cremer.
Jedenfalls trugen auch die Oppositionsvertreter eine Reihe von Punkten mit, wie etwa den, dass sogenannte Fachpflegefamilien Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen aufnehmen können oder dass es in vielen Bereichen für Einrichtungen und Vereine weniger Bürokratie geben soll. Stellvertretend Evelyn Jadin (PFF): "Der Programmdekretvorschlag verfolgt ein klares Ziel: unsere Verwaltung effizienter, moderner und bürgerfreundlicher zu gestalten."
"Bürokratische Hürden sollen abgebaut, wichtige Reformen vorangetrieben und gezielt in Bildung, Jugendhilfe und soziale Strukturen investiert werden. Als PFF-Fraktion begrüßen wir diesen Ansatz, denn eine schlanke und gut funktionierende Verwaltung ist die Basis für eine lebensfähige Gemeinschaft."
Schon im Dezember hatte die Regierung angekündigt, dass sie künftig solche umfassenden Dekrete, die anderweitige Bestimmungen präzisieren oder anpassen, selbst einbringen werde, was dann auch automatisch ein Gutachten des Staatsrates erfordert. Im PDG wird das begrüßt.
"Programmdekretvorschläge, die aus verschiedenen Gründen durch Parlamentarier eingereicht werden, gehören der Vergangenheit an. Das ist gut so! Solche Dokumente werden in Zukunft dem Staatsrat zur Begutachtung als Entwurf vorgelegt. Das dürfte für Rechtssicherheit sorgen und die parlamentarische Arbeit nachvollziehbarer machen", glaubt Etienne Simar (CSP).
Nachtrag für ZOG genehmigt
Das PDG hat einen Nachtrag zum Geschäftsführungsvertrag mit dem Zentrum für ostbelgische Geschichte (ZOG) genehmigt. Das war notwendig geworden, weil die Regierung ihre Zuschusskonventionen um ein Jahr verlängert hat.
Vertreter aller Fraktionen im PDG würdigten die wertvolle Arbeit des ZOG, das 2014 gegründet worden war. Weil der Zuschuss aber indexiert ist und daher leicht angehoben wird, stimmten die Vivant-Abgeordneten angesichts laufender Sparmaßnahmen gegen den Nachtrag.
Stephan Pesch