229 Tage ist die Wahl mittlerweile her, eine neue Föderalregierung steht aber nach wie vor nicht. Warum ist die Bildung einer Föderalregierung in Belgien oft so schwierig und dauert derartig lange?
Die sogenannten "Arizona"-Parteien verhandeln seit Monaten. "Arizona" - das sind drei flämische Parteien, nämlich N-VA, Vooruit und CD&V, und zwei frankophone Partei: MR sowie Les Engagés. Da es fast keine Parteien mehr gibt, die landesweit antreten, spricht Staatsrechtler Christian Behrendt von "zwei verschiedenen demokratisch legitimierten Parteienlandschaften" - in Flandern und in der Wallonie.
"Unsere Verfassung sorgt dafür, dass es auf föderaler Ebene zu einem Zusammenschluss kommt von diesen beiden Sprachgruppen und auch von der demokratischen Legitimation dieser Parteienfelder. Das ist eine Besonderheit. Die kann natürlich dazu führen, wenn man jeder dieser Parteien Rechnung tragen will und da eine mehrheitsfähige Regierungskoalition raus machen will, dass das zu Verhandlungen kommt, die relativ langwierig sind", betont er.
In Belgien kommt das Verhältniswahlrecht zur Anwendung. Dadurch habe man ein System, das sehr inklusiv sei, "das viele politische Meinungen kanalisiert und ins Parlament reinbringt. Das ist eigentlich sehr gut", so der Staatsrechtler. "Dadurch bekommen Sie im Parlament eigentlich eine sehr große Vielfalt von verschiedenen Lösungsansätzen. Natürlich hat es auch Nachteile." Dazu gehöre, "dass die Regierungsbildung im Verhältniswahlrecht grundsätzlich länger dauert."
Rekord liegt bei 541 Tagen - als die Regierung Di Rupo im Dezember 2011 stand, waren seit der Wahl im Mai 2010 etwa 541 Tage vergangen. Das war ein Rekord. Alexander De Croos Vivaldi-Koalition war im Herbst 2020 494 Tage nach der Wahl startklar. Allerdings lagen zwischen Wahl und der neuen Regierung damals unter anderem der Beginn der Covid-19-Pandemie und die Einsetzung einer Übergangsregierung. “Arizona” mit Bart De Wever an der Spitze ist also noch weit von solchen Zeiträumen entfernt.
Internationale Vergleiche nicht zielführend
Dass internationale Vergleiche über die Dauer der Regierungsbildung angestellt werden, hält Behrendt nicht für zielführend, "weil sie der spezifischen Situation von Belgien nicht Rechnung tragen". "Sie müssten das mit einem Land vergleichen, das es nicht gibt. Das heißt, ein Land, das ebenfalls nur Regionalparteien hat. So ein Land gibt es nicht. Das gibt es nur einmal und das ist Belgien."
Langwierige Verhandlungen und die Berücksichtigung der Interessen der beteiligten Parteien müssen auch nicht unbedingt von Nachteil sein, wenn denn am Ende das Ergebnis stimmt. "Vom Grundsatz her ist das meines Erachtens nach in keiner Weise ein Problem, sondern das ist eher der Beginn der Lösung. Denn wenn Sie ein gutes Regierungsabkommen haben, dann können Sie anschließend auch relativ gut regieren. Das ist natürlich keine absolute Garantie."
Eine wichtige Rolle bei der Regierungsbildung spielt das Staatsoberhaupt. "Denn", so erklärt Behrendt," der König ist hier für die Fragen "Wer? Was? und Wann?" verantwortlich." Letztere Frage zielt darauf ab, wie viel Zeit besteht, bis beim König wieder Bericht über den Stand der Verhandlungen erstattet werden muss.
"Das zeigt auch, was der König denkt, was man erwarten kann: Wenn er zwei Wochen gibt oder vier Wochen gibt oder drei Tage gibt oder zwei Monate gibt. Das sorgt natürlich auch schon dafür, dass es eine gewisse Perzeption gibt, wie schwierig die Sache ist", erläutert der Staatsrechtler.
"Natürlich kann der König nicht beschließen oder bestimmen, dass bis zu dem und dem Zeitpunkt die Regierung da sein muss. Das wäre töricht, das würde er auch nie tun. Aber er kann natürlich sagen: Ich gebe Ihnen jetzt 14 Tage Zeit und dann kommen Sie zu mir zurück und dann erzählen Sie mir mal, was sie bewerkstelligt haben. Das ist sinnvoll", sagt der Professor von der Universität Lüttich.
Geschäftsführende Regierung mit eingeschränktem Handlungsspielraum
Während die "Arizona"-Partner verhandeln, ist die Regierung De Croo weiterhin im Amt. Allerdings ist diese nicht mehr voll geschäftsfähig, sondern nur geschäftsführend - und das sorgt für Einschränkungen. "Der Unterschied ist, dass sie natürlich in einer geschäftsführenden Regierung, weil sie ja ihren Rücktritt eingereicht haben, keine neuen Projekte mehr starten können. Was auch logisch ist, denn für diese neuen Projekte sind Sie nie vom Wähler legitimiert worden."
Das betrifft auch den Staatshaushalt. "Ein Haushalt ist Politik, denn im Haushalt sagen Sie, wer für welche Politik wie viel Geld bekommt. Es gibt nichts politischeres als den Haushalt", so Behrendt. Also gilt derzeit ein Provisorium mit den sogenannten Zwölfteln. Gewissermaßen ein Haushalt auf Abruf - wie Premier De Croo und sein Kabinett.
Moritz Korff
In diesem Artikel wird Schönfärberei betrieben.Man versucht etwas unnormales zu rechtfertigen.
Die lange Dauer der Regierungsbildung ist für mich ein Zeichen von Systemversagen.Es ist doch lächerlich, was in Brüssel zur Zeit abgeht.Ich als normaler Bürger fühle mich auf den Arm genommen.
Der Grund ist eigentlich ganz einfach.Es gibt zu viele politische Parteien.Gäbe es nur zwei wie in den USA und mehr direkte Demokratie nach Schweizer Modell, wäre alles viel einfacher.
Nur die in Brüssel checken das nicht.Die leben auf einem anderen Planeten.
Nachtrag.
Die Minister der geschäftsführenden Regierung sollten nur halbes Gehalt bekommen. Tun ja auch nur die Hälfte. Die regieren nicht, die verwalten nur.