Der frühere Sozialminister Antonios Antoniadis hatte nach dem Regierungswechsel zwar entschieden, auf einen Sitz im Parlament zu verzichten. Dass er jedoch gleich mehrfach vorkam in der Diskussion über die ehemals von ihm verantworteten Bereiche, hatte die SP-Fraktion selbst provoziert - als sie etwa auf jahrelange Versäumnisse hinwies.
Die Neu-Abgeordnete Mechtilde Neuens stellte in ihrer ersten Rede aber auch die grundsätzliche Frage, wie im Sozialbereich "Verbesserungen für Personal und Betroffene" erreicht werden könnten. "Sicherlich nicht, indem die Regierung die Indexierung des Pflege- und Kindergeldes für die beiden kommenden Jahre aussetzt. Sicherlich nicht, indem die Regierung den Jahreszuschlag für Kindergeld dauerhaft nur noch gekoppelt an den Sozialzuschlag oder an den Zuschlag für Kinder mit Beeinträchtigung auszahlt. Sicherlich nicht, indem die Regierung die Miet- und Umzugsbeihilfe aufhebt. Sicherlich nicht, indem die Regierung auch in der Entwicklungshilfe den Rotstift ansetzt. Nein, so geht es nicht."
Auch die Ecolo-Abgeordnete Fabienne Colling ging mit den Sparvorschlägen hart ins Gericht - von wegen "Gießkannenprinzip" und "Rasenmähermethode". "Die Streichung der Mietbeihilfen und des Jahreszuschlags für das Kindergeld machen in der Summe etwa eine Million Euro der Sparmaßnahmen aus. Ich frage Sie, Frau Ministerin: Ist es das wert? Ist es das wirklich wert, das Risiko in Kauf zu nehmen, weitere Familien in der DG in finanzielle Schwierigkeiten zu bringen? Hätten Sie nicht besser die letzten Monate darauf verwertet, in Ruhe zu überlegen, wie Sie die begrenzten Mittel der DG zielgerichteter ausgeben, statt allen das Gleiche zu geben oder zu nehmen?"
Elke Comoth, die für ihren entschuldigten ProDG-Kollegen José Grommes einsprang, stand auch ihrer Ministerin zur Seite. "Ich bin froh, dass die Regierung sich entschieden hat, im sozialen Sektor keine strukturellen Einsparungen zu tätigen. Irgendwo muss ja gespart werden. Sie sagen, wir haben nicht von der Indexierung des Kindergeldes gesprochen. Einfach um mal die Diskussion einzuordnen, möchte ich mal die Beträge nennen, worum es überhaupt geht: Das sind 3,70 Euro pro Kind pro Monat und 5,60 Euro pro Kind für Familien mit Sozialzuschlag. Da macht die Masse die Einsparung."
Für Vivant und Diana Stiel sind "die Tage des Sozialstaates gezählt". "Es ist Zeit, das Ende einer Rundumversorgungspolitik einzuläuten und wieder mehr Eigenverantwortung des einzelnen Bürgers zu fördern. Die Politik muss die Rahmenbedingungen für ein Leben in Würde schaffen - nicht mehr und nicht weniger. Die DG-Regierung hat aber genau wie der Föderalstaat und andere europäischen Staaten sein Pulver verschossen. Zukünftig heißt es haushalten und das sollten sie den Bürgern auch so sagen."
Dass Diana Stiel die Wahlfreiheit etwa der Eltern in der Kinderbetreuung gefährdet sah, ließ die Liberale Evelyne Jadin nicht auf der Mehrheit sitzen. "Wahlfreiheit für Eltern, aber auch für Patienten: sei es durch flexible Betreuungsangebote in der Kinderbetreuung oder eben in der wohnortnahen medizinischen Versorgung. Die Ergebnisse der MAHA-Studie, die Herausforderungen in der Kinderbetreuung und die zunehmenden Ansprüche an unsere sozialen Strukturen zeigen: Wir können es uns nicht leisten, in alten Mustern zu verharren."
So sah es für die CSP auch Etienne Simar. "Auf die Seniorenpflege und Gesundheit kommen keine einfachen Zeiten zu. Und das hat nichts mit den jetzt angekündigten Sparmaßnahmen zu tun. Die Sparmaßnahmen, so merkwürdig es klingen mag, dürften eher dafür sorgen, dass die Zukunft etwas besser stabilisiert sein dürfte."
Ministerin Lydia Klinkenberg präzisierte, dass in ihren Zuständigkeiten - bis auf wenige Ausnahmen - so gespart werde, dass auf Erhöhungen, aber auch auf strukturelle Einschnitte verzichtet werde. "Aber selbstverständlich bedeutet sparen weniger Geld ausgeben. Und sparen erfordert nun mal eben Mut. Kritisieren kann jeder. Daher meine Frage an Sie, liebe Kollegen der Opposition: Wo hätten Sie denn die mehr als vier Millionen Euro in meinem Organisationsbereich 50 gespart? Dazu habe ich nichts, aber wirklich gar nichts gehört. Schade. Ich bin offen für jeden konstruktiven Vorschlag. Falls Sie aber das Patentrezept haben, um zu sparen, ohne irgendwo etwas wegzunehmen, dann würde ich das sehr, sehr gerne wissen."
Am Donnerstag kommt beim Haushaltsmarathon die Ziellinie in Sicht: Vor der Abstimmung befassen sich die PDG-Abgeordneten unter anderem noch mit den Zuständigkeiten von Minister Jérôme Franssen in den Bereichen Bildung und Beschäftigung.
Stephan Pesch