Wenn es darum geht, unmittelbar Betroffene in politische Prozesse einzubinden, dann ist das zweifellos gelungen: Mit seinen 17 Jahren gehörte Ismaël Scheen aus Eupen zusammen mit einem Altersgenossen der sechsten Bürgerversammlung zum Thema "Schülerkompetenzen" an. "Wir haben das als sehr interessant empfunden, weil wir sind ja betroffen und direkt in der Situation drin", sagt er. "Und wir waren auch froh, natürlich mitzuwirken."
Die Themen, die in der Bürgerversammlung besprochen wurden, sind nämlich auch Thema auf dem Schulhof. "Vor ein paar Wochen habe ich zum Beispiel erfahren, dass sich Schüler durch Handynutzung nicht konzentrieren können. Und dann haben manche gesagt: Ja, man sollte die Handynutzung reduzieren. Aber viele hängen am Handy, und viele sind auch nicht damit einverstanden, manche schon."
Eben so wie es nun mal im richtigen Leben läuft. Und das gilt auch für die Bürgerversammlung, wie Mathias Langer erfahren durfte. "Es war sehr bereichernd und sehr interessant, Demokratie zu leben mit anderen Bürgern, die aus anderen Gesellschaftsschichten kommen. Eine ganz zusammengewürfelte Gruppe ist das und man kann auf jeden Fall seinen Horizont erweitern. Und ja, man erarbeitet sich ein Thema und hofft natürlich, dass die Politik dann darauf reagiert und die Empfehlungen so gut wie möglich umsetzt."
Auch für Jennifer Buchem war die Teilnahme an der Bürgerversammlung ein Lernprozess. "Ich war vorher sehr skeptisch, weil ich Bürgerbeteiligung auch immer so ein bisschen unter dem Blickwinkel gesehen habe: Ist es vielleicht eine Scheinbeteiligung? Ist man wirklich bereit, die Bürger zu beteiligen? Oder will man einfach nur sagen, man hat doch die Bürger angehört, um quasi das Häkchen zu setzen? Aber hier habe ich das Gefühl, dass man wirklich bereit ist, zu beteiligen, zuzuhören und dann eben auch auf die Wünsche der Bürgerinnen und Bürger einzugehen."
Bei der Übergabe der Handlungsempfehlungen, die aus den Beratungen hervorgegangen sind, an die Politik, sprach Claudine Schröder im PDG stellvertretend für die anderen Teilnehmer ... und kam zu dem Schluss: "Es gibt nichts Wichtigeres, habe ich hier durch diese Bürgerversammlung festgestellt, als die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder. Und da soll man jetzt nicht zu viel Zeit verlieren, um diese Rahmenpläne und das alles zu verwirklichen. Es ist nicht alles möglich, aber es gibt schon sehr wichtige Sachen, die man machen kann und auch schnell und auch nicht am falschen Ende sparen."
Das fertige Bürgergutachten umfasst rund 20 Handlungsempfehlungen zum Thema "Schülerkompetenzen", ausgehend von der Frage, "wie emotionale Fähigkeiten an ostbelgischen Schulen vermittelt werden können, damit Schüler fit für die Zukunft sind". "Wir haben es bisher so erlebt, dass dieses Thema sozial-emotionales Lernen etwas ist, was on top kommt und deswegen vielfach hinten überfällt", sagt Jennifer Buchem. "Und uns ist es einfach wichtig, dem mehr Raum zu geben in der Schule durch die Anpassung der Rahmenpläne und andere Freiräume, die geschaffen werden können."
"Sehr wichtig ist, dass die Talente, die ein jeder hat, in den Schulen erforscht werden, herausgefunden werden und anhand davon auch der Unterricht für diese Schüler gestaltet wird", findet Claudine Schröder. "Es ist schwierig, so zu sagen, aber es kann nicht jeder Sprachen lernen. Es kann nicht jeder Mathematiker werden. Es muss zum Beispiel auch gute Handwerker geben. Wenn man in den Schulen schon einen Sechsjährigen sieht, der es liebt, mit Holz zu arbeiten, dann soll man den bitte auch das machen lassen und fördern."
"Es geht viel um die Bearbeitung der Rahmenpläne in den Schulen, den Inhalt der Unterrichte und wie diese Unterrichte gelebt und vermittelt werden", sagt Mathias Langer. "Wir haben uns andere Unterrichtsmodelle angeschaut und geschaut: Wo funktioniert etwas besser? Wie können Schüler wirklich aktiv am Unterricht teilnehmen und nicht nur da sitzen? Wir wünschen uns schon eine Umstrukturierung der Schulen, der Rahmenpläne und der Unterrichte. Und das erfordert natürlich Mut von den Politikern, aber auch natürlich Mut bei den Schulen und vom Lehrpersonal."
Der Austausch darüber folgt bei einer öffentlichen Ausschusssitzung am 5. Dezember. Und auch danach werden die Teilnehmer an der sechsten Bürgerversammlung die politische Umsetzung ihrer Empfehlungen sehr genau im Auge haben.
Stephan Pesch
Die zufriedenen Gesichter zeugen von einer gelungenen Show. Alles in bester Ordnung.