Als "einzige Gemeinschaft in Belgien" habe die DG kurz vor den Wahlen ihren Haushalt den aktuellen Entwicklungen angepasst, hatte Ministerpräsident Oliver Paasch (ProDG) schon bei der Vorstellung Ende März erklärt. Das tue sie, um ihrem "Anspruch auf Transparenz" gerecht zu werden.
Freddy Mockel: "Finanzielle Situation nicht schönreden"
Die Oppositionsfraktionen von CSP, Ecolo und Vivant ließen sich damit nicht abspeisen. Sie verwiesen auf sinkende Einnahmen, steigende Ausgaben und wachsende Schulden."Beruhigend ist das nicht", erklärte Patricia Creutz (CSP), "nicht nur, weil die Summen immer gewaltiger werden, sondern auch, weil sich weder das Parlament noch die Bevölkerung auf die Planungen der Regierung verlassen können."
Michael Balter (Vivant) erklärte, seine Fraktion habe "immer davor gewarnt, die enorme Höhe der Schuld zu verniedlichen." Balter sprach von einer "Verschuldungsspirale", die Gemeinschaft werde ihren Verbindlichkeiten nicht nachkommen können, was Oliver Paasch später mit dem Hinweis auf eine "verkraftbare" Verschuldung konterte - mit einem Rückzahlungsmodell über 30 Jahre.
Freddy Mockel (Ecolo) räumte immerhin ein: "Wir stehen nicht kurz vor der Pleite! Aber die Regierung, allen voran ihr Ministerpräsident, sollte aufhören, die Situation schöner zu reden, als sie ist." Das sei nicht der Fall, reagierte Oliver Paasch, die Regierung weise die "Neutralisierungen" ja im Unterschied zu anderen Körperschaften in Belgien klar als solche aus. "Im Übrigen brauchen wir einen solchen Abschreibungsmechanimus auch in den europäischen Buchhaltungsregeln", griff Paasch eine Anregung von Freddy Mockel auf.
Die Sprecher der Mehrheitsfraktionen hielten den Schulden die getätigten Investitionen entgegen. Freddy Cremer (ProDG) sprach in diesem Zusammenhang davon, dass zum Abschluss einer Legislaturperiode nun mal "Bilanz gezogen, Kassensturz gemacht und abgerechnet werde - im wirtschaftlichen wie im politischen Sinne". Gregor Freches (PFF) erklärte, die Investitionen von heute dienten künftigen Generationen. Beider Kritik richtete sich vor allem an die Adresse von Vivant.
Kern der Anpassung: 34 Millionen mehr für Seniorenpflege
Patrick Spies (SP) wollte "das Haushaltsfass bewusst nicht mehr komplett öffnen" und konzentrierte sich auf den Kern dieser ersten Haushaltsanpassung: eine Erhöhung im Seniorenbereich um 34 Millionen Euro. Das gebe den Wohn- und Pflegezentren für Senioren (WPZS) Planungssicherheit.
Sein Parteikollege, Vizeministerpräsident Antonios Antoniadis, ging als zuständiger Minister für die Seniorenpflege ebenfalls ausführlicher ein auf "die einzige größere Anpassung in diesem Haushalt". "Um die Wohn- und Pflegezentren nicht zu überfordern, haben wir 2018 Ziele in Bezug auf die Durchmischung der Unterstützungsprofile definiert, die in einem Zeitraum von zehn Jahren zu erfüllen waren." Die Formel lautet: 82 Prozent erhöhte Unterstützungskategorie, 13 Prozent geringe Unterstützungskategorie, fünf Prozent Kurzaufenthalte.
Auf Bitten von sechs der acht WPZS, die dieses Ziel schon erreicht hätten, habe die Regierung nun vorgeschlagen, die für 2029 angestrebte Angleichung der Tagespauschalen vorzuziehen, "damit für gleiche Leistung gleiche Finanzierung" erfolge, so Antoniadis. Die Unterschiede zwischen privaten und öffentlichen Einrichtungen würden damit aufgehoben.
Vorgezogen werde auch die Finanzierung von Mobilitätshilfen und Ausstattungen sowie das erweiterte Projekt, den acht Wohn- und Pflegezentren bis zu 54 Alltagsbegleiter zur Verfügung zu stellen, 16 seien bereits ausgebildet.
Raumordnung: Prozeduren verkürzen und vereinfachen
Mit einigen Änderungen am dekretalen Teil des Gesetzbuches über die räumliche Entwicklung will das Parlament die Genehmigungsprozedur verkürzen und vereinfachen. Konkret geht es um die Fälle, in denen die Gemeinden eine Stellungnahme des zuständigen Fachbereichs Raumordnung im Ministerium bzw. der Regierung einholen können oder müssen. Hier soll den Gemeinden mehr Autonomie eingeräumt werden.
Bei einer Anhörung dazu, so stellte Michael Balter fest, habe es aber "keine Luftsprünge" gegeben und zum Teil deutliche Kritik von Gemeinden. Als "löblich" bezeichnete er, dass die Regierung bereit gewesen sei, die Neuerung vom 1. Mai auf den 1. September zu verschieben. So bleibe unter anderem mehr Zeit für die nötigen Schulungen.
Für Freddy Mockel ist der große Wurf einer dritten Phase bei der Reform der Raumordnung ausgeblieben, wobei es besser sei, vor den Wahlen nichts übers Knie zu brechen. Stattdessen gebe es jetzt zwar eine Anpassung, die in seinen Augen "fast nichts" darstelle, Mockel sprach von einer "Phase 2bis". Das sei es aber noch nicht, räumte Raumordnungsminister Antonios Antoniadis ein, sondern eine Zwischenetappe dorthin. Sie führe aber zu einem "Paradigmenwechsel in der Raumordnung", so Antoniadis. Die Dauer der Prozedur werde um mehr als einen Monat verkürzt, von 115 Tagen auf 75 Tage.
Als entscheidenden Faktor sahen Sprecher der anderen Fraktionen, wie Evelyn Jadin (PFF) und Patrick Spies, "dass die Effizienz gesteigert wird" und "dass die vorgesehenen Prozeduren beschleunigt werden".
Versöhnliches zum Abschluss - Einige Mandatare verabschiedet
Angesichts der letzten Plenarsitzung in dieser Zusammenstellung sprach Gregor Freches "von einem fast historischen Moment", Freddy Cremer zog den Vergleich zu einer "Finissage" bei einer Kunstausstellung.
Patricia Creutz wollte am Ende der Legislaturperiode "bei aller notwendigen Kritik dennoch mit etwas Versöhnlichem schließen" und verwies darauf, dass "nicht nur, aber besonders in den letzten Wochen gute Arbeit geleistet" worden sei. Ihren Dank richtete sie darum auch an die "vielen ungenannten Mitarbeiter im Hintergrund für ihre stets tadellose Arbeit".
PDG-Präsident Charles Servaty, der dieses Amt Ende Januar 2023 übernommen hatte, zog ebenfalls Bilanz: "Die Plenarversammlung hat in der Legislaturperiode 2019-2024 rund 280 Beschlüsse gefasst, davon 171 Dekrete. Die Parlamentarier haben darüber hinaus in der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode 35 Interpellationen gestellt, 1694 mündliche Fragen und bis zum heutigen Tag 444 schriftliche Fragen. Demnach glaube ich sagen zu können: Das Parlament hat seine Hausaufgaben gemacht."
Zum Abschluss der Sitzung wurden auch mehrere Abgeordnete verabschiedet, die nicht wieder als effektive Mitglieder kandidieren. Dabei handelt es sich um Sandra Houben-Meessen, Robert Nelles und Colin Kraft (alle CSP) und Freddy Mockel (Ecolo) sowie um die Ministerin Isabelle Weykmans (PFF), die mit der Wahl einer neuen Regierung nach 20 Jahren ihr Ministeramt niederlegen wird.
Stephan Pesch
Der Vergleich mit einer Kunstausstellung ist durchaus gut gewählt. Politiker sind ja auch Künstler. Die kriegen es fertig, den selben Euro zweimal auszugeben, und die sind Wortakrobaten, die viele Worte von sich geben und aber nichts sagen.