Thomas Förster als neuer Vorsitzender des Bürgerrates, wir sollten zunächst noch mal erklären: Es gibt verschiedene Gremien im permanenten Bürgerdialog. Welche Aufgabe hat da der Bürgerrat?
Ja, also zuerst mal ist zu sagen, dass der Bürgerdialog in Ostbelgien im Jahre 2019 gegründet wurde und beim Parlament angesiedelt ist. Es gibt in der Tat zwei Gremien: einmal den Bürgerrat, das übergeordnete Gremium. Er legt die Themenschwerpunkte fest und überwacht und begleitet die Bürgerversammlung. Die Bürgerversammlung wiederum ist das zweite Gremium, und hier werden die Mitglieder per Losverfahren ausgewählt. Das Ziel dieser Bürgerversammlung ist es, ein vorgegebenes Thema auszuarbeiten und der Regierung Empfehlungen vorzulegen.
Dieses neue Thema ist nun festgelegt worden vom Bürgerrat. Da geht es um Schülerkompetenzen - oder wie die ostbelgischen Schulen fit für die Zukunft gemacht werden könnten. Und jetzt suchen Sie die Teilnehmer an dieser sechsten Bürgerversammlung. In welcher Form?
Wir haben das Losverfahren gestartet. Es wurden insgesamt 1.500 Bürger angeschrieben, sich zu melden. Das ist ja die erste Runde. Jetzt kann sich jeder Bürger zu diesem Thema melden. Und in der zweiten Runde werden dann 30 Leute ausgelost, die dann auch tatsächlich an der kommenden Bürgerversammlung teilnehmen werden.
Das heißt, sie kriegen jetzt Post, oder wie läuft das ab?
Ja, die kriegen Post vom Parlament mit einer Einladung. Es gibt auch einen kleinen Hinweis zu unserer Internetseite, wo man Teilnehmer sehen kann, die über ihre Erfahrungen sprechen. Und ich kann nur jeden auffordern teilzunehmen, denn es ist eine wunderbare Erfahrung.
Jetzt wird aber vielleicht der eine oder andere sagen: "Ich weiß nicht, ob ich mir das überhaupt zutrauen sollte. Ich habe da nicht so viel politische Erfahrung, mit dem Thema Schülerkompetenzen kenne ich mich gar nicht so gut aus." Was sagen Sie diesen Leuten?
Keine Angst haben teilzunehmen. Wir suchen keine Experten. Wir suchen keine Berufspolitiker, sondern jeder ist willkommen, alle Altersgruppen, alle Berufsgruppen sind willkommen. Die Idee ist ja, neben der Ausarbeitung eines Themas einen Einblick in politische Prozesse und in die Demokratie zu bekommen. Somit braucht keiner Sorge zu haben, er könnte sich da nicht zurechtfinden. Zu Beginn jeder Bürgerversammlung werden alle Teilnehmer ausführlich gebrieft, ausführlich informiert, auch über das Thema.
Das also für die Leute, die denken, dass sie Vorkenntnisse bräuchten. Das braucht es also nicht. Andere sagen sich vielleicht: "Es passt praktisch nicht für mich."
Das ist natürlich eine andere Frage, wenn es praktisch nicht passt. Die Bürgerversammlung kommt samstags zusammen, wenn man jetzt weiß, dass man an einem Samstag nicht kommen kann, ist das schade, aber sonst kann man halt nicht aktiv die Ausarbeitung begleiten. Aus diesem Grunde haben wir noch andere Formate geplant, worauf wir später noch eingehen werden.
Es ist ja auch so, dass dieser Bürgerdialog möglichst repräsentativ sein will, ein "Spiegel der Gesellschaft". Wie bekommen Sie das hin, wenn die Leute samstags nicht können oder sich das nicht zutrauen? Wie kriegen Sie dieses repräsentative Bild in der Bürgerversammlung gewährleistet?
Bis jetzt hatten wir Glück. Bis jetzt hatten wir eigentlich alle Altersgruppen aus allen Gemeinden der Deutschsprachigen Gemeinschaft vertreten. Hinter dem Losverfahren steckt eine gewisse Methode, dass wir alle Bevölkerungsgruppen aus allen Gemeinden anschreiben. Wenn sich jetzt aus einer Gemeinde keiner zurückmeldet, ist diese Gemeinde oder diese Altersgruppe leider nicht in der Bürgerversammlung vertreten. Aber hoffen wir mal, dass sich viele melden und dass wir das Problem nicht haben werden.
Manche schalten auch auf Durchzug und sagen: "Da wird uns etwas vorgegaukelt". Da ist mitunter die Rede von einer "Scheindemokratie", es sehe nur so aus, als ob die Bürger ihre Stimme erheben könnten. Was sagen Sie dazu?
Ja, das hatte ich auch während meiner Antrittsrede noch mal gesagt: Es ist sehr wichtig zu unterstreichen, dass der Bürgerdialog kein Parallelparlament ist. Die teilnehmenden Bürger können im Gegensatz zu den Parlamentariern keine Entscheidungen treffen. Sie können "nur" Empfehlungen ausarbeiten. Aber wenn die Empfehlungen so gut sind und man das Parlament überzeugen kann, dann stehen die Chancen auch gut, dass diese Empfehlungen umgesetzt werden. Und sollte die Regierung mal eine Empfehlung nicht umsetzen, muss die Bürgerversammlung dies akzeptieren.
Und es kann durchaus sein, dass ich als Teilnehmer an einer solchen Bürgerversammlung mit meinen eigenen Vorstellungen nicht unbedingt durchkomme ...
Ja, das ist Demokratie. Man muss andere Meinungen akzeptieren, man muss auch Mehrheiten akzeptieren. Es ist nicht das Ziel, dass nur meine Meinung durchgesetzt wird. Demokratie ist nicht, wenn jemand denkt, dass seine Meinung die wichtigste Meinung ist.
Wie sind denn Ihre eigenen Erfahrungen mit dem Bürgerdialog? Sie sind ja nicht nur Vorsitzender des Bürgerrates, sondern haben selbst auch an einer Bürgerversammlung teilgenommen.
Unterschiedlich. Also ich fand das generell sehr gut, um einen Einblick in politische Prozesse zu bekommen. Jedoch muss man im Kopf behalten: Das ist kein zweites Parlament. Man darf auch nicht enttäuscht sein, wenn eine Empfehlung nicht umgesetzt wird. Darum ist es wichtig, dass wir die Teilnehmer einer jeden Bürgerversammlung sehr gut informieren. Viele Sachen werden bereits von der Politik umgesetzt oder sind in Bearbeitung. So wissen die Teilnehmer, worauf sie sich konzentrieren sollten. Denn es bringt nichts, Empfehlungen auszuarbeiten und nach einer gewissen Zeit stellt man fest: die Themenblöcke wurden bereits ausführlich bearbeitet oder sind in der Umsetzung. Deshalb ist es enorm wichtig, Zeit darauf zu verwenden, die Bürger gut zu informieren.
Fünf Jahre läuft schon dieser Prozess, der permanente Bürgerdialog, und trotzdem ist das noch nicht für alle so ganz deutlich. Aber jetzt gibt es eine Veranstaltung, bei der Sie noch mal erklären wollen, wie der permanente Bürgerdialog eigentlich funktioniert.
Ja, das liegt mir sehr am Herzen, dass wir den Bürgerdialog in Ostbelgien bekannter machen. Wir bekommen sehr viele Interviewanfragen aus aller Welt. Aber wir haben festgestellt, dass in Ostbelgien der Bekanntheitsgrad noch nicht da ist, wo er sein sollte. Aus diesem Grunde hat der Bürgerrat beschlossen, eine Veranstaltung zum Thema Bürgerbeteiligung zu organisieren, auch im Hinblick darauf, dass wir in diesem Frühjahr leider keine Bürgerversammlung machen dürfen aufgrund der Wahlen.
Was steht denn da auf dem Programm bei dieser Veranstaltung?
Also es haben jetzt 1.500 Leute einen Brief erhalten. Viele stellen sich die Frage: "Was soll ich damit? Was ist der Bürgerdialog? Warum soll ich da teilnehmen?" Somit laden wir zu dieser Veranstaltung ein unter dem Titel "Demokratie ist mehr als Wahlen". Und die Veranstaltung beginnt mit einem Impulsreferat des Politikwissenschaftlers Christoph Niessen. Er wird zum Thema "Demokratie ist mehr als Wahlen", verschiedenen Formen der Bürgerbeteiligung und über den permanenten Bürgerdialog Ostbelgien sprechen. Es gibt eine Podiumsdiskussion und einen moderierten Austausch zwischen den Podiumsteilnehmern und den Bürgern. Und im Anschluss kann sich jeder Besucher über den Bürgerrat, den Bürgerdialog informieren. Wir werden auch dort sein und die Arbeit der bisherigen Bürgerversammlungen vorstellen.
Also auch da wird im besten Sinne des Wortes ein Dialog angeboten mit den Bürgern. Wie können sich die Leute jetzt dafür melden? Oder bekommen sie auch da eine Einladung?
Das ist eine öffentliche Veranstaltung, am Sonntag, dem 21. April, ab 15 Uhr im Saal "Capricornus" in Hünningen bei Büllingen. Die Anmeldung ist frei und ich hoffe, dass viele Leute kommen aus allen Altersgruppen und allen Gemeinden.
Der permanente Bürgerdialog sieht vor, dass die Bürgerversammlungen Empfehlungen an die Politik abgeben können. Wenn Sie jetzt ganz persönlich sagen dürften: Ich habe eine Empfehlung, was den eigentlichen Bürgerdialog angeht, welche wäre das?
Als Vorsitzender des Bürgerrats bin ich ja nicht alleine in der Entscheidungsbefugnis, sondern wir müssen das auch im Konsens in dem Bürgerrat beschließen. Aber ein Wunsch, welchen ich auch während meiner Antrittsrede geäußert habe, ist, dass wir diese Themen noch konkreter formulieren. Dass die Teilnehmer der Bürgerversammlung besser und fokussierter arbeiten können und nicht, dass jede Menge Themenvorschläge oder Empfehlungen ausgearbeitet werden, welche am Ende schon umgesetzt sind. Und was ich mir noch wünschen würde, ist, dass wir es schaffen würden, noch einen engeren Zusammenhalt zwischen der Bevölkerung und der Politik zu gewährleisten.
Stephan Pesch
„Das Ziel dieser Bürgerversammlung ist es, ein vorgegebenes Thema auszuarbeiten und der Regierung Empfehlungen vorzulegen.“
Dieser „Bürgerrat“ ist eine Einrichtung die nicht von der Belgischen Verfassung vorgesehen ist. Die einzigen legitimierten Vertreter des Souverän, des Volkes also, sind die gewählten Abgeordneten. Sie, und nur Sie, sind dazu befugt Gesetze zu erlassen und die Exekutive, d.h. die Regierung, zu kontrollieren. Was soll das also? Leute die per Losverfahren bestimmt werden geben hier „Empfehlungen“. Die Regierung ist dem frei gewählten Parlament Rechenschaft schuldig und sollte dessen Empfehlungen folgen. Solche „Räte“ erinnern an den Sowjet-Kommunismus da galt auch die Devise „alle Macht den Räten....“ Hoffentlich schafft VIVANT den Irrsinn wieder ab....
Ich kann mich nicht anfreunden mit dem Bürgerdialog.Welches Problem soll er eigentlich lösen ? Es ist ein nettes Werkzeug für die Politik.Die Politik kann behaupten, die Bevölkerung miteinbezogen zu haben und kann notfalls auch Verantwortung abschieben auf den Bürgerdialog, indem auf dessen Empfehlungen verwiesen wird.
Direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild wäre besser.Am besten durch Briefwahl.Da kann jeder mitmachen. Auch diejenigen, die keine Zeit haben.
Das Losverfahren gefällt mir nicht.Den Zufall entscheiden lassen, erinnert mich an ein mittelalterliches Gottesurteil. Vollkommen unvernünftig, weil nach nicht nachvollziehbaren Kriterien die Mitglieder bestimmt werden.
Das ganze ist grober Unfug auf Kosten des Steuerzahlers.
Der große Vorteil des Bürgerdialogs ist die Tatsache, dass er unpolitisch ist. Dadurch werden zum einen Themen aufgeworfen, die möglicherweise nicht im Spektrum der Parteien des PDG vorkommen und zum anderen werden sie viel unbefangener diskutiert. Das Gerangel um die beste Idee entfällt, auf das politische Entscheidungen (leider) immer mal wieder hinauslaufen.
Daher ist er in meinen Augen ein sehr nützliches Werkzeug.
Zur Klarstellung:
- Das Losverfahren dient dazu, einen Querschnitt der Gesellschaft zu erzielen, was bislang auf gut geklappt hat.
- Der Bürgerdialog und "direkte Demokratie" sind kein Entweder - Oder. Beides ist vereinbar.
- Vivant hat für die Schaffung des Bürgerdialogs gestimmt.
Paasch & Co. sind inzwischen so von sich eingenommen, dass sie wirklich glauben, die ganze Welt müsse ihnen applaudieren, wenn die sich irgendeinen Nonsens ausdenken. Jeder anständige Demokrat braucht dieses Dialoggeschwafel genau so dringend wie eine Corona-Impfung.
Alles Quatsch, alles DG-Quatsch.
Die Worte '...werden alle Teilnehmer ausführlich gebrieft...' erklären doch wohl alles. Man sollte das ganz in 'Bürger-farce' umtaufen ! Mehr ist es nähmlich nicht !...oder würde sich von den Kontrolleuren einer trauen, das für den Bürger überwichtigen Thema 'Beispiele von Korruption in der DG - Wie BE-LU Grenzgängern ihre nationalen und EU-Rechte nicht gewährt u/o verweigert werden !' Die EU-Oberen geben sich derweil begeistert von der Erfindung des DG-Bürgerdialogs... und leisten damit Beihilf bei der Untergrabung dem Bürger zustehender und zu garantierender Rechte ! So wird Bürgerdialog zur Bürger-farce !
Alleine schon die Existenz des Bürgerdialogs ist ein Hinweis auf ein Phänomen namens "CEO disease", dh wenn Entscheidungsträger von ihren Untergebenen nur noch angenehme Informationen bekommen, weil diese Untergebenen negative Konsequenzen fürchten, zum Beispiel für ihre Karriere.Das sind in der DG Regierung, Parlament, Verwaltungen etc.Das ist eine Blase, die abgekoppelt vom Rest der Bevölkerung existiert.Die Institutionen funktionieren nicht so wie vorgesehen, weil man zu abhängig ist von Zuschüssen.Aus Angst Zuschüsse zu verlieren, redet man den Entscheidungsträgers nach dem Mund.Das kann fatale Konsequenzen haben. In der DG wird das noch begünstigt, weil die 4. Gewalt, die Presse auch abhängig ist von Zuschüssen der DG.