Klar wussten wir, dass dank Internet unser regionales Fensehprogramm weltweit gesehen werden kann, nicht zuletzt in Kanada. Dort sind es um die 40 Zuschauer. Nach dem Besuch von Manuel Meune kennen wir dafür jetzt auch den Hauptverantwortlichen. "Ich unterrichte Deutsch an der Universität Montreal, an der frankophonen Université de Montréal, und da habe ich immer wieder Ihre Programme geschaut. Und das habe ich immer wieder meinen Studenten gezeigt."
"Ich gebe einen Kurs 'Histoire de la langue allemande', 'Geschichte der deutschen Sprache'. Aber es geht nicht nur um die Geschichte der Sprache als solche, sondern auch um deutschsprachige Minderheiten. Da gibt es ein Kapitel über Belgien. Und in diesem Zusammenhang zeige ich immer wieder 'Blickpunkt'. Daher kenne ich Ihre Programme."
Bei diesem Informationsaustausch über den großen Teich fallen natürlich gleich die unterschiedlichen Dimensionen ins Auge: hier die kleine Deutschsprachige Gemeinschaft mit ihren knapp 80.000 Einwohnern auf gut 850 Quadratkilometern, dort der zweitgrößte Flächenstaat der Welt mit rund zehn Millionen Quadratkilometern und fast 40 Millionen Einwohnern, von denen jeder Fünfte als Erstsprache Französisch angibt.
Andere Größenordnung
"In Kanada ist die Größenordnung natürlich ein bisschen anders, aber man kann schon sagen, dass die frankophonen Québecer sich als Minderheit verstehen. Auch wenn sie innerhalb der Provinz eine große Mehrheit sind - 80 Prozent ungefähr - verstehen sie sich in Nordamerika als Minderheit und insofern haben sie sehr viele Kontakte mit Minderheiten in Europa, also mit den Valdostanern, mit den Sorben, Bretonen usw. Das gehört einfach zu ihrer direkten Erfahrung."
Manuel Meune stammt aus Bourg-en-Bresse, er hatte eine deutsche Gastfamilie in Bad Kreuznach. Als Linguist kennt er sich aus mit der Schweiz und ihren Sprachen, mit Sprachminderheiten oder auch mit Mundarten wie dem Frankoprovenzalischen, in das er unter anderem "Tim & Struppi" übersetzt hat. Die kulturelle Vielfalt in Europa ist ihm also bestens vertraut. "Ich bin immer fasziniert davon, was die Deutschsprachigen hier in Belgien erreicht haben, wenn man das mit dem vergleicht, was die Elsässer in Frankreich verloren haben, wo es immer weniger Leute gibt, die Deutsch sprechen. Das wäre ein Beispiel, warum das mich interessiert hat."
Bleibt die Frage, wie er sein Interesse an der deutschen Sprache seinen frankophonen Studenten vermittelt. "Die deutsche Sprache hat für frankophone Québecer den Vorteil, dass es weder Französisch noch Englisch ist. Sie haben manchmal einen etwas komplizierten Bezug zu Frankreich, weil die Franzosen sagen den Québecern gerne, wie man 'richtig' spricht. Und Englisch ist aus anderen Gründen problematisch. Deutsch ist für sie eine neutrale Sprache, d.h. somit haben sie einen Bezug zu Europa, ohne dass es unbedingt über die französische oder die englische Sprache gehen muss."
Doppelte Minderheit
Und so seltsam das bei allen Unterschieden klingt: Man ist sich doch wohl näher, als man denken könnte. "Es gibt natürlich die Québecer in Québec, aber es gibt auch sehr viele Frankophone außerhalb von Québec und die können sich wahrscheinlich erst recht mit den Deutschsprachigen hier vergleichen, weil die sind dann wirklich eine doppelte Minderheit sozusagen, nicht nur in Nordamerika, sondern in ihren jeweiligen Provinzen, sei es New Brunswick, sei es Ontario. Da müssen sie wirklich sehr viel kämpfen für ihre Sprache, viel mehr als in Québec, wo die ganze Politik, das ganze Schulsystem auf Französisch funktioniert."
Manuel Meune kann nachvollziehen, wie sie ticken, die deutschsprachigen Ostbelgier ... und er nimmt eine interessante Erkenntnis mit nach Hause: "Ich habe gemerkt, wie die Leute sich freuen, dass man sich für sie interessiert - und dass man überhaupt weiß, dass sie existieren. Das ist das Problem mit kleinen Minderheiten, dass man immer das Gefühl hat, dass die Welt uns nicht registriert. Das würde ich mitnehmen."
Stephan Pesch