Sie ist erst 36 Jahre alt, hatte bei den bislang letzten Gemeinderatswahlen 2018 die zweitmeisten Stimmen bekommen, und wird am Montagabend - wenn alles nach Plan läuft - im Gemeinderat zur neuen Bürgermeisterin von Seraing ernannt: die PS-Politikerin Déborah Géradon.
Ein Bürgermeisterwechsel während der laufenden Legislatur ist nicht unbedingt normal. In Seraing kann das gleich durch mehrere Gründe erklärt werden.
Alles beginnt sicher mit den Korruptionsvorwürfen gegen den langjährigen PS-Bürgermeister Alain Mathot. Als der 2018 sein Amt wegen der anhaltenden Vorwürfe gegen ihn nicht weiterführen will, springt der aktuelle Bürgermeister Francis Bekaert in die Bresche. Bekaert wird von vielen als eine Art Notlösung gewertet. Eine Art Kompromiss zwischen den beiden jungen, aufstrebenden Frauen der PS in Seraing. Auf der einen Seite die heute 33-jährige Laura Crapanzano, auf der anderen Seite eben Déborah Géradon.
Inwieweit das stimmt, kann offen bleiben. Bekaert zumindest bekommt bei den Wahlen die meisten Stimmen und wird Bürgermeister. Trotzdem liegt ein Schatten auf ihm: Mit damals 59 Jahren ist Bekaert nicht mehr der allerjüngste. Vor allem aber sehen einige in ihm eine Marionette von Mathot.
Anfang November vergangenen Jahres muss Bekaert dann im Krankenhaus behandelt werden. Das beschleunigt alles. Bekaert hatte zuvor schon angegeben, Ende Juni vom Bürgermeisteramt zurückzutreten. Am Neujahrsempfang seiner Stadt verlegt er seinen Rücktritt nach vorn: Schon am Montagabend soll die Stabübergabe an Géradon stattfinden.
Warum gerade Géradon? Bekaert erklärt: "Ich glaube, dass sie die passendste Person für diesen Posten ist. Sie ist intelligent, hat Erfahrung, auch politische Erfahrung trotz ihres jungen Alters. Sie ist besonnen und kommt gut bei der Bevölkerung an."
Dass Géradon gezögert haben könnte, den Posten des Bürgermeisters zu übernehmen, ist nicht bekannt. Vielmehr klingt aus ihren wohlgemeinten Worten über ihren Vorgänger an, dass sie ziemlich gerne dessen Nachfolge antritt.
Gegenüber der RTBF sagte Géradon über Bekaert: "Das ist ein Mann mit Herz, der keine Angst hat, einen bedeutenden Posten aufzugeben, um Platz zu machen für eine neue Dynamik und für Hoffnung".
Dynamik und Hoffnung, das verkörpert Géradon tatsächlich. Sie steht nicht im Verdacht, eine Marionette von Mathot zu sein - dieses Kapitel kann Seraing schließen. Géradon ist jung, ist das Gesicht einer neuen Generation von PS-Politikern. Und sie ist eine Frau. Was für Seraing eine Premiere ist, wie Géradon selbst sagt: "Im Rahmen der Vorbereitungen auf mein neues Amt haben wir tatsächlich festgestellt, dass noch nie eine Frau Bürgermeisterin von Seraing war."
Und die designierte Bürgermeisterin setzt noch drauf, um alles noch historischer zu machen: "Einige haben sogar behauptet", sagt sie, "dass ich die erste Frau bin, die in der Wallonie Bürgermeisterin einer Stadt mit mehr als 60.000 Einwohnern sein wird. Das erhöht noch einmal den Druck auf mich in meiner neuen, wichtigen Funktion."
Diese historischen Dimensionen hätte auch Géradons Rivalin Laura Crapanzano ausfüllen können. Bekaert bezeichnete die jüngere als "vielleicht noch nicht reif genug" für das Bürgermeisteramt. Crapanzano bleibt also weiterhin "nur" Schöffin. Aber im Umfeld der PS von Seraing munkelt man schon, dass die beiden Rivalinnen sich die Ämter der Stadt künftig aufteilen könnten: Géradon im Bürgermeisteramt, Crapanzano als Föderalabgeordnete von Seraing in der Kammer.
Kay Wagner
Seraing gilt für mich schon seit längerem als Zugpferd für Ortschaften, wo der Strukturwandel von der Schwerindustrie hin zur Moderne besondere Herausforderungen stellt.
Mit dem Project "Serenus" haben sie schon vor längerer Zeit ein großes Umbauprojekt begonnen auf dem Gelände von einem der beiden alten Hochofen-Anlagen wo mit der Zeit ein sehr freundliches Stadtbild entstehen wird. Alles soll gepflegt aussehen ohne verwilderten Busch oder verwahrloste Uralt-Häuser. Für Ortschaften wie Verviers ganz sicher ein Wink mit dem Zaunpfahl.