Für Gregor Freches war es der erste Neujahrsempfang als PFF-Präsident. Nach lobenden Worten für seine Vorgängerin Kattrin Jadin warf er vor allem einen Blick auf die Zukunft. Für die PFF sei 2023 ein entscheidendes Jahr. Ein Jahr vor dem Wahljahr 2024. Es gehe darum, die liberalen Werte besser darzustellen und besser zu kommunizieren.
Um für Klarheit zu sorgen, schenkte Freches dem fußballbegeisterten MR-Präsidenten Georges-Louis Bouchez ein Trikot der AS Eupen, auf dessen Rückseite er die Nummer 4 hatte aufdrucken lassen. Als Zeichen dafür, dass auch die PFF ein Belgien zu viert fordert.
Bouchez ließ kein Gras darüber wachsen und startete seine Rede nicht mit Wahlkampfparolen, sondern ging direkt auf das Thema ein. Er kenne den Wunsch eines Belgien der vier Regionen. Er bat aber darum, sich in die Lage eines Parteipräsidenten zu versetzen, der auch an die anderen Regionen des Landes denken müsse. Man müsse Lösungen suchen, die effizienter sind. Aus frankophoner Sicht hieße ein Belgien zu viert: zwei RTBFs, zwei ULBs. Der DG stehe die gleiche Autonomie zu wie den anderen Gemeinschaften des Landes. Ein Belgien zu viert sei aber nur umständlich umzusetzen.
Er stehe für ein Belgien mit weniger Verwaltung und mehr Effizienz. Die gewaltigen Herausforderungen der Zukunft könne man nicht durch Kleinstaaterei, sondern durch mehr Europa lösen. Man müsse da realistisch bleiben. An dieser Stelle erklang ein kurzes Buh eines Anwesenden, von dem sich der MR-Präsident aber nicht einschüchtern ließ.
Die MR wolle auch in Zukunft für die Autonomie der DG kämpfen und dafür sorgen, dass sich alle drei Sprachgemeinschaften des Landes in ihrer Identität entfalten können. "Es wäre einfacher, wenn ich Ihnen Gratis-Geld oder die vierte Region versprechen würde, aber die Aufgabe eines Politikers ist es, zu sagen, was er für richtig hält", so Bouchez.
PFF-Präsident Gregor Freches zeigte sich nach der Rede Bouchez gelassen. Weniger gelassen zeigte sich kürzlich der Präsident der flämischen Liberalen, Egbert Lachaert. Bouchez verärgert durch seinen provokanten Kommunikationsstil häufig die Koalitionspartner der Vivaldi-Regierung. Lachaert erklärte sichtlich genervt, dass der Eintritt der MR in eine künftige Regierungskoalition nur über das Wohlwollen der OpenVLD möglich sei. Auch dazu ist Bouchez nicht um eine Antwort verlegen. "Unsere einzige Eintrittskarte in die Regierung ist das Wahlergebnis. Wer in die Regierung will, muss Wahlen gewinnen", so Bouchez. Parteitaktik oder -geplänkel interessierten ihn nicht. Sein Ziel sei ein klares Projekt, dass der Wähler auch versteht. Soweit die Reibungspunkte.
Was die politischen Ziele angeht, sind die Liberalen bei PFF und MR auf einer Wellenlänge. Im Mittelpunkt steht da die Aktivierung des Arbeitsmarktes. Bouchez lobte die vorbildlich niedrigen Arbeitslosenzahlen in Ostbelgien. Wer arbeite, sollte in Belgien weniger Steuern bezahlen müssen; wer nicht arbeitet, soll aktiviert werden. Arbeit müsse sich mehr lohnen als Sozialhilfe.
Isabelle Weykmans erklärte, man werde im Kampf gegen den Fachkräftemangel, die ostbelgischen Schüler durch Pflicht-Praktika noch näher an die hiesigen Unternehmen bringen. Der Glasfaserausbau für die ganze DG sei zudem eine zukunftsgerichtete Maßnahme.
Klar ist nicht nur seit Montagabend: Das Wahljahr 2024 lauert schon um die Ecke. Bouchez erklärte, man habe ihn und seine Partei für populistisch gehalten, als die MR sich für eine Laufzeitverlängerung einiger Atomkraftwerke eingesetzt habe. Jetzt, wo diese Laufzeitverlängerung kommt, würden sich viele Parteien in diesem Ergebnis sonnen. Da stellt sich die Frage, ob man ein Jahr vor den Wahlen überhaupt noch mit Koalitionspartnern ergebnisorientiert regieren kann, wenn der Konkurrenzkampf um Wählerstimmen immer akuter wird.
Auch Außenministerin Hadja Lahbib richtete sich mit einem kurzen Redebeitrag an die Anwesenden. Sie lobte die Errungenschaften eines vereinten Europas, von dem auch sie schon als Erasmusstudentin profitiert habe. Was die Leistung ihrer Partei angehe, sei es hervorzuheben, dass die MR die erste Partei gewesen sei, die eine Frau zur Premierministerin gemacht habe. Und sie selbst sei als erste Frau belgische Außenministerin geworden. Das erfülle sie mit Stolz als Tochter eines algerischen Einwanderers.
Manuel Zimmermann