Von den Beschlüssen des Wiener Kongresses über den Versailler Vertrag bis hin zu den sechs Staatsreformen. Es ist schon eine Besonderheit, wie die Deutschsprachige Gemeinschaft entstanden ist und wie sie sich bis zum heutigen Zeitpunkt entwickelt hat.
Rund 80.000 Menschen leben in der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Das sind nicht einmal ein Prozent der Gesamtbevölkerung Belgiens.
Und dennoch: Die DG ist keine verkümmerte Randerscheinung der Wallonie. Im Gegenteil. Sie besitzt weitreichende Autonomie in vielen politischen Bereichen. Diese Autonomie müsse auch weiter ausgebaut werden, sagt Parlamentspräsident Karl-Heinz Lambertz. "Es gibt mehrere Wege, mit denen wir unsere Autonomie ausweiten können. Ein Weg wäre durch Staatsreformen. Es gibt aber eine weitere Möglichkeit und die besitzen wir seit 1983. Das sind die bilateralen Verhandlungen mit der Wallonischen Region, wodurch Übertragungen von Zuständigkeiten stattfinden. So war es vor Kurzem zum Beispiel mit der Raumordnung und dem Wohnungsbau. Es ist unglaublich wertvoll in der Politik, wenn man zum Erreichen seiner Ziele mehrere Wege offen hat."
Im nächsten Jahr feiert die Deutschsprachige Gemeinschaft 50 Jahre Gemeinschaftsautonomie. Obwohl die DG sehr viel in Eigenregie durchführt: Das aktuelle belgische Bundesstaatsmodell wird sie nicht verändern können.
Bei siebter Staatsreform antizipieren
Sollte es in Zukunft zu einer siebten Staatsreform kommen, so dürfe die DG keine passive Rolle bei den Verhandlungen einnehmen, wie der Parlamentspräsident betont. "Keiner wird uns fragen, was bei einer potenziellen Reform geschehen soll. Wir können auch nicht nach Brüssel fahren, auf den Tisch hauen und sagen, wie etwas auszusehen hat. Wir müssen antizipieren und aufpassen, dass wir nicht in eine Ecke geraten. Wir müssen unsere Rechte behalten und unsere Entwicklung optimal wahrnehmen können.
Momentan zeichnet es sich ab, dass die geplante siebte Staatsreform verschoben wird. Für den Ministerpräsidenten Oliver Paasch heißt das aber nicht, dass sich die DG vorerst entspannt zurücklegen kann. "Unser Anspruch muss es sein, ein gleichberechtigter Partner in Belgien zu sein. Das betrifft auch unsere Sprache. Wir gehen ja mittlerweile auch gerichtlich gegen jene Konzerne vor, die die deutsche Sprache missachten. Es gilt aber auch institutionell. Wir Deutschsprachige wollen in Belgien gleich behandelt werden."
Anspruch auf Gleichberechtigung
Es gebe neben der DG noch weitere Beispiele, die beweisen würden, dass eine Minderheit innerhalb eines Staates durchaus mit Autonomie umzugehen weiß, so Paasch. "Wir dürfen nicht vergessen, dass wir sehr klein sind. Aber wir sind nicht zu klein. Wir haben einen Anspruch auf Gleichberechtigung. Auch in anderen föderalen Staaten gibt es Größenunterschiede, wie wir sie bei uns kennen. Das deutsche Bundesland Bremen repräsentiert zum Beispiel auch nur 0,8 Prozent der deutschen Bevölkerung. Trotzdem übt es dieselben Befugnisse wie Nordrhein-Westfalen aus. Solche Beispiele gibt es auch in der Schweiz oder in Italien."
Der alljährliche Festakt zum Tag der Deutschsprachigen Gemeinschaft soll immer wieder daran erinnern, welchen Mehrwert die Autonomie für die Ostbelgier hat. "Allerdings auch nur deshalb, weil es viele engagierte freiwillige und ehrenamtliche Menschen in unserer Gemeinschaft gibt. Deshalb haben wir das gesamte Rahmenprogramm dieses Festtages den Ehrenamtlichen gewidmet. Der Tag der DG ist eine gute Gelegenheit, um danke zu sagen.'
Dogan Malicki
Hoffentlich war es ein schöner Abend für die Beteiligten. Man sollte Feste feiern wie sie fallen. Etwas Selbstbeweihräucherung kann nicht schaden. Die Autonomie hat vieles ermöglicht, auch das Sich-selbst-feiern.