"Wir sind in einer Phase, wo noch viel zu gestalten und nicht alles fertig ist. Das ist besonders interessant bei der Frage, was man alles von den Anregungen, die in der Bürgerversammlung formuliert worden sind, umsetzen kann und wie das dann ganz konkret läuft."
In insgesamt fünf Teile hat die Bürgerversammlung das Thema "Wohnen" unterteilt: Wohnen für junge Menschen, Wohnen in Wohngemeinschaften, Wohnraum bezahlbar machen, sozialer Wohnungsbau und Wohnen auf dem Land.
Beim Thema Wohnen für junge Menschen forderte die Bürgerversammlung eine Bedarfsanalyse: Wer genau braucht was? Das solle erst einmal herausgefunden werden, aber nicht nur für junge Menschen, fand der zuständige Minister Antonios Antoniadis. "Was heißt das für den Rest der Bevölkerung? Wir haben auch ältere Menschen mit einem ganz anderen Bedarf an Wohnfläche und Ausstattung. Wir haben Menschen aus sozial schwächeren Verhältnissen. Sie stehen auch unter dem Druck der Preise. Das Ganze muss man also zielgruppendefiniert betrachten."
Kommunikationsdefizit
Hier und in einigen anderen Fällen zeigte sich: Das, was die Bürgerversammlung ausgearbeitet hatte, wurde bereits in parlamentarischen Arbeitsgruppen erarbeitet, wie ein Mitglied der Bürgerversammlung bemerkte. "Das will heißen, dass das Volk eigentlich das ausspricht, was das Parlament schon bearbeitet. Und das ist uns wichtig, dass es so ist. In der Tat bietet die DG schon viele Möglichkeiten, vielleicht nicht von allen erkannt."
Auch das war ein wiederkehrender Punkt. Es gibt ein Informations- beziehungsweise Kommunikationsdefizit. Vieles, was die DG im Bereich Wohnen tut, ist der Bürgerversammlung und darüber hinaus nicht bekannt. "Zu Empfehlung 12 wird in der DG schon seit Jahren Pionierarbeit geleistet. Wo? Wo gibt es Informationen dazu? Das wusste ich bisher auch nicht, dass es das gibt."
Alternative Wohnformen
Inhaltlich wichtige Punkte waren beispielsweise alternative Wohnformen. Hier wünscht sich die Bürgerversammlung mehr Information und ganz allgemein die Förderung neuer Wohnkonzepte: für junge und ältere Menschen, aber auch Menschen mit Beeinträchtigung. Seitens der Regierung reagierte man eher zurückhaltend. "Alternative Wohnformen - das hört sich toll an und jeder will das haben, aber für andere und nie für sich selbst. Wobei ich raushöre, dass es Interessenten gibt", so Antoniadis.
Ein Mitglied der Bürgerversammlung bestätigt das: "In meinem Bekanntenkreis gibt es viele, die das wollen. Ich bin 60 und irgendwann möchte ich auch nicht alleine sein. Und das ist bei vielen anderen so."
Sozialer Wohnungsbau
Im sozialen Wohnungsbau fordert die Versammlung mehr Angebote in mehr Gemeinden. Oder aber einen Parcours für die Bewohner von Sozialwohnungen, damit diesen bei der Integration in den freien Wohnungsmarkt geholfen wird. Hier stehen große Herausforderungen an, wie auch Gregor Freches, Vorsitzender des Ausschuss I, unterstreicht.
"Wir können das nicht nur auf die Gemeinden Eupen, Kelmis und St. Vith ablagern. Wir müssen dafür sorgen, dass wir flächendeckend sozialen Wohnungsbau schaffen - egal in welcher Form", so Freches. "Denn es wird eine Prämisse sein die nächsten Jahre, wenn sich der gesellschaftspolitische Wandel so vollzieht, wie er sich momentan anbahnt. Dann wird das eine der Hauptaufgaben sein in der Wohnungsvergabe."
Einigkeit gab es beispielsweise beim Thema Wohnen auf dem Land. Der ländliche Raum müsse unbedingt gestärkt werden: Grundversorgungen gewährleisten, Mobilität verbessern, infrastrukturell mit der Zeit gehen. Punkte, denen jeder Politiker beipflichtete.
Anfängliche Euphorie verflogen
Mit den insgesamt 45 Empfehlungen gehen die Politiker nun in die Sommerpause. Was danach geschieht, wird seitens der Versammlung mit Spannung erwartet. "Es gibt viel Übereinstimmung, trotzdem stellen wir uns die Frage, was das Parlament denn jetzt konkret in welchem Zeitrahmen aufgreifen können wird."
Eine berechtigte Frage. Denn was sich allgemein beobachten lässt, ist, dass das Verhältnis zwischen Parlament und Bürgerversammlung nüchterner geworden ist. Die anfängliche Euphorie, wie das noch bei der ersten Bürgerversammlung der Fall war, gab es so nicht mehr. Definitive Aussagen oder gar Zusagen zu den Empfehlungen auch nicht. Mal sollte etwas "auf jeden Fall verfolgt werden", mal "kann ein Vorschlag interessant sein", mal gab es "rechtliche Bedenken". Es wird also spannend zu sehen, welche Empfehlung es mit welcher Begründung in die finalen Gesetzestexte schaffen wird.
Andreas Lejeune