Mit einer stark präsenten Wirtschaft und gleichzeitig einer hohen Autonomie braucht es in der Deutschsprachigen Gemeinschaft viele Fach- und Führungskräfte - und das branchenübergreifend. Der Mangel wird jedoch immer schlimmer und die DG versucht, dieser Entwicklung entgegenzusteuern.
Ein wichtiger Punkt ist die massive Investition in die Aus- und Weiterbildung: "Das ist das A und O: die Menschen, die hier sind, gut auszubilden und eine solide Ausbildung anzubieten", sagt Beschäftigungsministerin Isabelle Weykmans. "Fakt ist, dass wir es dazu gebracht haben, dass wir belgienweit, aber auch in Europa, zu den Spitzenregionen gehören mit der niedrigsten Jugendarbeitslosigkeit. Das heißt, wir schaffen es, massiv darin zu investieren."
Daneben versucht die DG, alle Kräfte zu bündeln. Das 2018 gegründete Fachkräftebündnis soll dafür sorgen, dass die einzelnen Akteure, die Schulen, das Arbeitsamt, aber auch beispielsweise die Industrie- und Handelskammer an einem Strang ziehen und gemeinsam gegen den Mangel vorgehen.
Fakt ist auch: Noch nie gab es so wenige Arbeitslose in der DG wie momentan. 79 Prozent der aktiven Bevölkerung gehen einer beruflichen Tätigkeit nach. Damit liegt die DG quasi gleichauf mit den Zahlen der Nachbarländer - und gleichzeitig fehlt es an allen Ecken an Fach- und Führungskräften.
Das sorgt dafür, dass auf dem Arbeitsmarkt mittlerweile alles etwas anders läuft: "Früher hatten wir für eine offene Stelle zwei, drei oder vier Kandidaten. Heute ist es umgekehrt. Heute haben wir drei, vier Stellen und nur noch einen Kandidaten. Und der Kandidat kann sich letztendlich den Arbeitgeber jetzt aussuchen", so Volker Klinges, der Geschäftsführer von Industrie- und Handelskammer und Arbeitgeberverband.
Arbeit muss attraktiv sein
Arbeitgeber müssen also möglichst attraktiv sein, um überhaupt Fachkräfte anlocken zu können. Dazu zählen für die Arbeitnehmer laut einer neuen Studie beispielsweise der Freiraum innerhalb der Arbeit, eine angenehme Work-Life-Balance und ein attraktives Gehalt. "Aber da haben wir natürlich als Belgien und insbesondere als Ostbelgien hier in der Grenzregion schon mit großen Problemen zu kämpfen. Die steuerliche Situation und die Arbeitskosten in Belgien stellen sich sehr negativ dar im Vergleich zu Deutschland oder Luxemburg."
"Und wir als Grenzregion spüren das natürlich tagtäglich. Wir müssen uns immer mit den anderen Arbeitgebern messen. Und da tun wir uns natürlich schwer, wenn es nur um das Thema attraktives Gehalt geht, dann auch in der Hitparade des Kandidaten auf Nummer eins zu stehen", erklärt Volker Klinges. Die DG ist in dem Fall also ein Gefangener der gesamtbelgischen Politik. Dementsprechend müssen andere Anreize geschaffen werden.
Die Standortmarke "Ostbelgien" ist ein Versuch, Fachkräfte in die Region zu locken - "weil wir uns positionieren wollen als Lebens- und Arbeitsstandort", erklärt Ministerin Weykmans. "Weil wir auf Zuwanderung angewiesen sind und weil wir auch attraktiv sein wollen für die Menschen, die hier sind und für die Menschen, die zu uns kommen. Deswegen auch gute Dienstleistungen, gute soziale Kohäsion, das Thema des Glasfasernetz-Ausbaus gehört mit dazu, um hier attraktive, moderne Arbeitsbedingungen wiederzufinden."
"All das sind Dinge, die dazu beitragen sollen, dass wir diesem Defizit der demografischen Entwicklung, die uns auch die nächsten Jahre noch sehr stark begleiten wird, und dass wir diesem Druck von außen, dem Druck der anderen Arbeitsmärkte, standhalten."
Die Ziele für die DG sind also klar: Es muss noch mehr, noch besser und gezielter ausgebildet werden. Vielleicht braucht es noch mehr Anreize und es muss noch mehr aus dem Inland oder benachbartem Ausland, wenn nicht sogar aus ganz Europa, angeworben werden.
Effizienz steigern - auch im öffentlichen Sektor
Ein dritter wichtiger Punkt fehlt da aber noch: "nämlich Effizienzsteigerung, Produktivitätssteigerung", sagt Volker Klinges. "Ganz lapidar formuliert: Mehr machen mit weniger Leuten. Und das nicht nur im Privatsektor, sondern auch verstärkt im öffentlichen Sektor. Dort muss auch nicht jedes Mal, wenn eine weitere Zuständigkeit kommt, weiter eingestellt werden, sondern da muss auch der Versuch unternommen werden, über Effizienzsteigerung mit weniger Leuten mehr zu machen."
Gerade ein Blick nach vorne zeigt, wie wichtig es sein wird, diese drei Ziele zu erfüllen. Sollte nämlich eine weitere Staatsreform die vierte Region bringen, dann bringt das auch neue Herausforderungen. Für Volker Klinges ist da klar: "Wenn wir die vierte Region als übergeordnetes Ziel mittelfristig anvisieren, dann müssen wir uns jetzt darauf vorbereiten. Und das bedeutet ganz klar: Wir müssen jetzt auch schon Prioritäten setzen."
"Zu den Prioritäten gehört ganz eindeutig auch, dass wir den Fach- und Führungskräfte-Mangel hier bekämpfen und umkehren, sodass also hier die Wirtschaft weiter vor Ort tätig sein kann mit entsprechend guten Mitarbeitern und dass die öffentliche Hand sich auch entsprechend entwickeln kann. Die Formel ist ganz einfach: Fach- und Führungskräfte-Sicherung ist Zukunftssicherung."
Zukunftssicherung kann für die DG aber auch eine gleichberechtigte Rolle in einem Belgien von morgen sein, gerade für die Standortmarke "Ostbelgien". Das zeigt ein Blick auf die aktuelle Autonomie. "Die Autonomie, die heute die Deutschsprachige Gemeinschaft wahrnimmt, nimmt sie auf eine räsonable, gute Art und Weise wahr und auch so, dass sie auch gewinnbringend ist für die Deutschsprachige Gemeinschaft, für die Bürgerinnen und Bürger, die hier leben. Also das ist nachweislich, denke ich, ganz klar, dass die Autonomie uns sehr, sehr viel gebracht hat zur Förderung der Lebensqualität, auch für den Wirtschaftsstandort Ostbelgien insgesamt."
"Denn das ist ja auch immer eine Wechselwirkung. In so einem Ökosystem funktioniert ja alles miteinander an der Stelle. Aber wir müssen auch da immer wachsam bleiben, dass wir keine Unterfinanzierung erleben, dass wir Dinge gegebenenfalls nicht wahrnehmen können, nicht auf eine gute Art und Weise. Dazu gibt es dann auch intensive Beratungen, Diskussionen und ich denke, das ist das, was wichtig ist."
Den Fachkräftemangel bekämpfen: Es wird eine schwere Aufgabe, die die volle Aufmerksamkeit aus Politik, aber auch aus der Wirtschaft braucht. Ein Kampf, der sich durch die Vergangenheit zieht, in der Gegenwart stattfinden muss und der eine große Auswirkung auf die DG von morgen hat.
Robin Emonts