Warum braucht es überhaupt ein neues Regionales Entwicklungskonzept?
Wir hatten eines, das wird auch immer noch umgesetzt. Wir arbeiten an insgesamt 400 Maßnahmen. Aber das Projekt ist 2008 entwickelt worden für die Zeit bis 2025. Und ich gehe doch mal sehr stark davon aus, dass die ostbelgische Welt 2025 nicht endet, wir also eine weiterführende Zukunftsvision brauchen. Daran arbeiten wir an einem Konzept 'Ostbelgien leben 2040', in dem wir die Bevölkerung, aber auch die organisierte Zivilgesellschaft einbeziehen. Grundlage für das langfristige Planen ist eine statistische Bestandsaufnahme und die haben wir mit dieser Regionalanalyse entwickelt.
Sie berufen sich auf den statistischen Dienst im Ministerium der Deutschsprachigen Gemeinschaft, der viele interessante Zahlen liefert ...
Es lohnt sich auf jeden Fall, diese Statistiken im Internet mal abzurufen. Sie sind eine gute Grundlage für politische Gestaltung, sie sind aber auch interessant für all jene, die sich für Statistik interessieren, die vielleicht in ihrem eigenen Bereich Zahlen entdecken wollen oder auch Prognosen und Trends ablesen müssen, zum Beispiel auch für universitäre Arbeiten.
Ich kann mir vorstellen, dass man auf ostbelgienstatistik.be eine Fundgrube an interessanten Informationen hat, von den Klassikern wie Bevölkerungs- oder Beschäftigungszahlen bis hin auch zur Gesundheitssituation, zum sozialen Leben oder zum Vereinsleben.
Sie können an diesen Zahlen Entwicklungen ablesen, die hängen aber doch nicht alle von Ihrem regionalen Entwicklungskonzept ab?
Selbstverständlich nicht. Ostbelgien ist nun mal keine Insel. Es gibt sowohl positive als auch negative äußere Einflüsse. Wir haben gesehen, dass sich manche Dinge positiv entwickelt haben, seit 2008 beispielsweise im Unterrichtswesen: Der Schulrückstand ist zwar immer noch zu hoch, aber er ist deutlich gesunken.
Auf der anderen Seite haben wir aber auch Statistiken zur Kenntnis nehmen müssen, die uns nicht erfreuen. Zum Beispiel ist die Anzahl der Empfänger von Eingliederungseinkommen gestiegen. Es gibt also positive und negative Entwicklungen. Wichtig ist nur, dass man sie objektiv zur Kenntnis nimmt und daraus die richtigen Schlüsse zieht, um Maßnahmen für die Zukunft zu treffen.
Welche Schlüsse ziehen Sie denn daraus? Gehen Sie überall, wo ein Negativtrend festzustellen ist, gegen diesen Trend vor? Greifen Sie positive Entwicklungen gegebenenfalls verstärkt auf?
Das muss man von Thema zu Thema differenzieren. Es gibt Statistiken, die fast ein automatisches Warning zur Konsequenz haben, wo man sagt: Da muss agiert werden. Nehmen wir die Bevölkerungsentwicklung. Es ist keine neue Erkenntnis, aber wir sehen, dass vor allem die aktive Bevölkerung abgenommen hat und in den nächsten Jahren weiter abnehmen wird. Daraus ergibt sich die riesengroße Herausforderung des Fachkräftemangels. Auf der anderen Seite gibt es wiederum ganz normale Entwicklungen wie die Sterblichkeitsrate. Jedenfalls haben wir darauf nur einen geringfügigen Einfluss. Also von Thema zu Thema wird abhängen, wie wir uns aufstellen werden für die Zukunft.
Entscheidend ist, dass wir das mit einem langfristig ausgerichteten Kompass tun, dass wir über Legislaturperioden hinaus planen. Und das ist der Anspruch dieses gesamten Prozesses, der in vier Phasen abläuft. Ende 2023 werden wir eine neue Vision für Ostbelgien vorlegen und zur Diskussion stellen, die dann bis zum Jahre 2040 reicht. Und es wird Aufgabe der jeweiligen noch zu wählenden Regierungen sein, ob sie damit etwas anfangen wollen oder nicht. Aber ich halte es für wichtig und ich sehe darin auch unsere Verantwortung, langfristig zu planen.
Stephan Pesch