Was ist eigentlich ein Haushalt? Für Freddy Cremer ist es ein in Zahlen gegossenes Regierungsprogramm. Und genau das wurde am Montagabend vermehrt diskutiert. Technische Einzelheiten des Haushaltes rückten dabei teilweise in den Hintergrund. Klar wurde: Es sind die Krisen, die aktuell das Regierungshandeln mitbestimmen und somit auch die Finanzen der Deutschsprachigen Gemeinschaft beeinflussen.
"Dieses Jahrzehnt wird für unsere Gemeinschaft richtungsweisend sein", sagt Gregor Freches von der PFF. "Neben dem Zurückdrängen der Pandemie, dem Wiederaufbau einer kriselnden, schwächelnden Wirtschaft, der Erweiterung unserer Autonomie durch eine mögliche siebte Staatsreform, den unzähligen Herausforderungen des Voranschreitens der Digitalisierung, der Energiewende und vielem mehr, gehört ein besonderes Augenmerk dem ambitiösen Konjunkturpaket der DG."
Gemeint sind die 600 Millionen Euro, die die Regierung bis 2029 investieren möchte. Die fließen in ein knapp 200 Millionen Euro schweres Schulbauprogramm. 180 Millionen sind für den Klimaschutz vorgesehen. In der Pflege werden die Gehälter konsequent angehoben, die Gehaltsmasse im Unterrichtswesen wird erhöht, auch die mittelständische Ausbildung wird aufgewertet. Kinderbetreuung, Jugend, Gesundheit und Senioren - es waren viele Investitionsbereiche, die Ministerpräsident Oliver Paasch aufzählte. Hinzu kommen die direkten Hilfen als Reaktion auf die aktuellen Krisen.
"Wir haben die schwarze Null - das stimmt - für eine begrenzte Zeit aufgegeben, um helfen zu können, aber auch um Lehren aus der Krise finanzieren zu können", so Paasch. "Wir haben 30 Millionen investiert, um die Auswirkungen der Flutkatastrophe abzufedern und wir haben 90 Millionen Euro für die Auswirkungen der Corona-Krise zur Verfügung gestellt. Und das war nur möglich, weil wir die schwarze Null zeitweise aufgegeben haben."
Gerade die Hilfen müsse man doch gutheißen, befand Patricia Creutz von der CSP. Trotzdem könne ihre Partei dem Haushalt nicht zustimmen. "Hier spielen auch noch andere, weniger erbauliche Faktoren eine Rolle. Nämlich: Erstens, die gesalzene Rechnung für eine eher unvorbereitete politische Leistung. Zweitens, der Blick durch die rosarote Brille, durch den Defizite wegradiert oder zumindest geschönt werden. Drittens, die Uneinsichtigkeit, sich Fehlleistungen einzugestehen und die Unbeholfenheit, mit der Prioritäten gesetzt werden."
Das 600 Millionen Euro umfassende Programm lese sich wie eine "Hätten-wir-schon-alles-tun-sollen-Liste". Die Regierung reagiere, käme in vielen Belangen zu spät, so die Oppositionspolitikerin. Die Corona-Krise habe die dringenden Baustellen deutlich gemacht, Problemlösungen seitens der Regierung vermisste Patricia Creutz jedoch.
Auch wies sie auf das Schuldenmanagement der Regierung hin. Denn aktuell mache die DG neue Schulden, um alte zu tilgen. Das sei ein Paradigmenwechsel in der Finanzpolitik. Und tatsächlich: Wurden vorher Kredite nur für Infrastrukturprojekte genutzt, dienen nun Anleihen zur Finanzierung von laufenden Ausgaben.
"Die Schuld wird nicht abgetragen, sei nicht getilgt, sondern man schiebt sie vor sich her", meint Michael Balter von Vivant. "Fällige Kredite werden durch neue abgelöst. Herr Paasch sprach in der Haushaltsvorstellung folgendes an: 'Schließlich dürfen wir nicht nur an unsere Projekte und unsere Generation denken, sondern müssen immer das Interesse kommender Generationen im Blick behalten.' Auch da hat er Recht. Aber tut dies die Regierung, wenn sie kommende Generationen mit solch einer Schuld belastet?"
Für Freddy Cremer von der ProDG ist die Antwort klar: "Es ist umgekehrt, sagen namhafte Wirtschaftsexperten. Schulden haben immer dann eine positive intergenerative Wirkung, wenn mit öffentlichen Krediten in eine zukunftsfähige Infrastruktur investiert und eine intakte Umwelt vererbt wird. Es wäre eine Belastung zukünftiger Generationen, wenn man diese Investitionen unterlassen würde."
Und so fließt auch Geld in die neuen Zuständigkeitsbereiche wie Energie und Raumordnung. Hier wurden beispielsweise die Energieprämien neu aufgesetzt und die dazugehörigen Mittel erhöht. Doch das sei kein garantierter Weg zum Erfolg, betonte der Ecolo-Mandatar Freddy Mockel. Er machte auf die Honorare aufmerksam, die für externe Beratung vorgesehen sind.
"Die Regierung hat also jetzt Gelder bereitgestellt. Sie hat unserem Erachtens aber weder genügend Sensibilität für das Thema bewiesen, noch genügend Know-How, um es umzusetzen. Man sollte sich schon die Frage stellen, inwieweit die DG hier nicht auch an strukturelle Grenzen stößt."
Der ein oder andere Einwand verlor sich in den Repliken und den Repliken auf die Repliken. Das muss nicht schlimm sein, schließlich bleiben noch drei Tage voller Haushaltsdebatten und somit genug Möglichkeiten für ausgiebige Diskussionen.
Andreas Lejeune