Anlass für die öffentliche Anhörung ist ein Resolutionsvorschlag, den die CSP-Fraktion im PDG eingebracht hat.
Sie will, dass das Parlament die Regierung der Wallonischen Region auffordert, die Planungen zur Umgehungsstraße wieder aufzunehmen und den Bau in die Wege zu leiten. Die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft wiederum soll sich in Namur dafür einsetzen und die Dringlichkeit des Projekts hervorheben.
Hohe Unfallzahlen
Für die Dringlichkeit sprechen schon die hohen Unfallzahlen, die Johannes Cremer, Zonenchef der Polizeizone Eifel, vorlegte. Der Pendlerverkehr nach Luxemburg und der Schwerlastverkehr wirken sich gravierend auf die Lebensqualität aus - nicht nur in den Ortschaften entlang der überlasteten N62, sondern auch in den umliegenden Dörfern, wo die Verkehrsteilnehmer Ausweichrouten suchen.
Das hat Einfluss auf Gesundheit und Umwelt: vom Feinstaub über die Auspuffgase bis zum Verkehrslärm, wie Gerd Hennen für die Bürgerinitiative "N62 - Jetzt reicht's" erläuterte.
Nicht wenige fragen sich, ob erst etwas Tragisches passieren muss - wie etwa ein schlimmer Unfall mit einem Gefahrenguttransport -, damit sich etwas für die Anlieger und für die Nutzer der Verkehrsachse ändert.
Sankt-Nimmerlein?
Jahrzehntelang - wie Hennen erklärte: schon seit 1949 - wurde überlegt, wie die Situation zu beheben sei. Zwischenzeitlich wurden schon Grundstückseigentümer enteignet, viele Studien in Auftrag gegeben.
2013 legte sich die Wallonische Region auf eine Trassenführung für eine Umgehungsstraße fest, die sogenannte Trasse 10. Sie soll nördlich von Grüfflingen beginnen, an Thommen vorbeiführen, mit einem Brückenbau über das Ulftal, und am Kreisverkehr Schmiede münden. 2019 wollte man sogar schon mit dem Bau begonnen haben.
Daraus wurde aber nichts: Der wallonische Minister Carlo Di Antonio nahm das Projekt aus dem Infrastrukturplan und die neue Mehrheit in Namur setzte die Prioritäten anderswo. Die Umgehung droht also auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben zu werden.
Arbeitgeberverband kritisch
Die Anhörung im PDG zeigte die sehr unterschiedlichen Interessen und Perspektiven: vom Naturschutz über die Verkehrssicherheit bis zum unternehmerischen Standpunkt.
Aufhorchen ließ der Redebeitrag von Volker Klinges, Geschäftsführer des ostbelgischen Arbeitgeberverbandes. Er kritisierte den Resolutionsvorschlag in recht scharfem Ton. Der „Einbahnverkehr“ von Arbeitskräften ins Großherzogtum Luxemburg werde durch eine solche Umgehungsstraße noch verstärkt.
Jedes Parlamentsmitglied, das für diesen Resolutionsvorschlag stimme, säge „an dem Ast, auf dem wir alle sitzen“, so Klinges, sprich: einem florierenden Wirtschafts- und Arbeitsraum Ostbelgien und damit einer gesicherten und langfristigen Finanzierbarkeit der gewünschten Vierten Region.
Mehrere Redner wollten das nicht so stehen lassen. Beide Themen müssten getrennt gesehen werden: die Umgehungsstraße zur Lösung eines bestehenden Verkehrsproblems auf der einen Seite und die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Ostbelgien in Konkurrenz zu Luxemburg auf der anderen Seite.
Umfassenderes Konzept?
Am stärksten betroffen von der überlasteten N62 ist die Gemeinde Burg-Reuland: Bürgermeisterin Marion Dhur (CSP) stellte fest, dass die Masse an Pkw und Lkw „untragbar“ sei und das Ziel nur eine Umgehungsstraße sein könne.
Ihr St. Vither Amts- und Parteikollege Herbert Grommes pflichtete ihr bei, auch wenn seine Gemeinde nach den letzten Plänen von baulichen Maßnahmen nicht betroffen ist.
Einige Redner mahnten an, dass durch eine Umgehung anderswo neue Verkehrsprobleme geschaffen werden könnten. Sie plädierten für ein umfassenderes Mobilitätskonzept - so etwa der cdH-Bürgermeister Elie Deblire, der stellvertretend für die Nachbargemeinden Vielsalm und Gouvy sprach. Dort gebe es ähnliche Probleme mit dem Verkehr durch Berufspendler.
Ähnlich argumentierte die Regionalabgeordnete Anne Kelleter (Ecolo). Ihr Parteikollege Philippe Henry ist als Minister zurzeit für die Verkehrspolitik in der Wallonischen Region zuständig.
Sie habe ihn um eine Mobilitätsstudie mit der Suche nach Alternativen gebeten. Und sie habe ihn eingeladen, sich die Situation an Ort und Stelle anzusehen, damit er den Handlungsbedarf erkenne. Kelleter nahm als beratende Mandatarin ebenso an der Anhörung im PDG teil wie die liberale Regionalabgeordnete Christine Mauel.
Dass es nach jahrzehntelanger Planung nun "nicht von heute auf morgen" eine Umgehungsstraße geben werde, ist Burg-Reulands Bürgermeisterin Marion Dhur nach eigenen Worten bewusst. "Mit verkehrsberuhigenden Maßnahmen alleine" sei das Problem aber nicht gelöst.
Stephan Pesch
Sagt bitte Bescheid, wenn der Parteikollege Henry da ist, dann machen wir den alltäglichen Autokorso mit Hubkonzert.
Der Herr Klinges sollte bitte bedenken, daß die Menschen wegen der guten Lohnbedingungen nach Luxemburg zum Arbeiten fahren und nicht wegen der belgischen Straßenqualität. Das von ihm angeführte Argument "Einbahnverkehr" ist ein Scheinargument. Einfach aus der Luft gegriffen.