"Wir sind da auch aus Ecken kontaktiert worden, die wir nicht erwartet hätten. Das reicht von sehr kleinen Privatarchiven, wo es nur um ein, zwei Seiten ging, die einen emotionalen Wert für die Menschen hatten, bis hin zu größeren Privatarchiven, die wirklich davon betroffen waren", sagt Vitus Sproten, Archivar im Eupener Staatsarchiv.
Erstaunlicherweise haben die wenigsten wegen Diplomen oder anderen amtlichen Urkunden beim Staatsarchiv um Rat gebeten. Viel mehr ging es um Dokumente, die für die Betroffenen einen besonderen Wert haben. "Um Opas Feldbriefe, um Dias, um Zeitungsartikel, die jemand ausgeschnitten hatte. Um eine Zeitungssammlung ging es auch. Zur Archivrettung ist nach einem Hochwasser schnelles Handeln gefragt. Doch eine Universallösung gibt es so nicht. Jeder Fall kann anders sein", sagt Archivar Sproten.
Es hängt davon ab, welche Dokumente von einer Wasserflut betroffen sind. Papierdokumente behandelt man anders als Bilder. Tondokumente noch anders. Und vieles hängt auch von der Menge ab. "Wenn das nur kleine Papierbestände sind, kann man die gut und gerne auslegen und dann lufttrocknen. Am besten mit einer guten Luftkonzentration, damit sich keine Schimmelsporen in die Dokumente einsetzen. Bei Bildern bietet sich auch häufig eine schnelle Digitalisierung an, damit der Inhalt gesichert ist, weil man häufig das Problem hat, dass Negative überlaufen und Farbe verloren geht."
Ein weiteres Problem ist, dass der Schaden oft zu spät erkannt wird. Denn Feuchtigkeit lässt Sporen nach. "Schimmel ist eigentlich das größte Problem. Wenn man nicht schnell genug auf so eine Wasserflut, die auf Papiere eingewirkt hat, reagiert, dann bilden sich Schimmelpilze in den Akten. Man sieht das auch nach ein paar Tagen oder Wochen, wie man es von Lebensmitteln kennt, dass sich Schimmelpilze auf den Akten bilden. Die sind auch schädlich für Menschen." Wenn man diese von Schimmel betroffenen Akten zu anderen Dokumenten legt, dann kann sich dieser Schimmel auch ausbreiten. Eine Gefahr für Mensch und Umwelt.
Manche Dokumente aus Ostbelgien waren dem Eupener Staatsarchiv dann doch so wichtig, dass man ihnen eine Sonderbehandlung zuteil hat kommen lassen. Sie liegen jetzt schockgefrostet in einem Kulturgutschutz-Container in Troisdorf bei Köln. "Die Dokumente bleiben dort - bei mindestens -20 Grad - in den nächsten Wochen. Durch ein spezielles Verfahren wird Wasser aus den Dokumenten herausgezogen. Grob zusammengefasst sollen Verformungen, Verklebungen und die Schimmelbildung vermieden werden."
Wichtiges von Unwichtigem trennen
In den nächsten Wochen wird es auch im Eupener Staatsarchiv nicht langweilig werden. Denn laut Vitus Sproten müssen Archivare immer wieder die gleiche Entscheidung treffen. "Die Aufgabe eines Archivars ist es auch immer, zwischen Wichtigem und Unwichtigem zu unterscheiden. Ein Großteil unseres Berufs ist dann auch das Vernichten von Dingen, die unwichtig sind."
Wer jetzt zu dem Schluss kommt, dass private Archive mit emotionalem Wert für die Allgemeinheit unwichtig sind, der kann sich irren. Laut Vitus Sproten sind durch das Hochwasser interessante Dokumente ans Tageslicht gekommen, für die sich auch das Eupener Staatsarchiv besonders interessiert. Und die stammen vor allem aus der jüngeren Geschichte. "Auch einige spannende Archive haben sich in den letzten Wochen aufgetan, zu denen wir gerne Zugang gehabt hätten. Dann hat uns die Not die richtigen Ansprechpartner gegeben, um vor allem Dingen Dokumente aus den bewegten 70er bis 90er Jahren ausfindig zu machen."
Egal ob mit hochwassergeschädigten oder unversehrten Zeitdokumenten. So manches Papier-, Bild- oder Tondokument interessiert die Geschichtsforscher. Wenn man sie einfach wegschmeißt, sind sie jedenfalls für immer weg. Ob sich das lohnt, können Archivare mit Fachwissen einschätzen.
Manuel Zimmermann