Es ist noch nicht lange her, dass die Friseursalons wieder öffnen dürfen. Die Kunden stehen Schlange. Zwischen Telefonaten und Terminanfragen steht Leila Mesic. Im August vergangenen Jahres hat sie ihre Ausbildung begonnen. Seitdem entspricht ihr Alltag eher nicht dem klassischen Ausbildungskalender: "Die letzten Monate waren wir zu Hause. Es war ja geschlossen. Ich habe viel am Puppenkopf geübt, wir hatten auch öfter Unterricht in der Schule, mehrere Stunden und so konnten wir praktisch üben. Aber ich bin froh, wieder hier zu sein, weil jetzt können wir wieder richtig an Kunden üben und nicht am Puppenkopf."
Die Öffnung erlaubt endlich wieder Praxis. Die mit der Öffnung verbundenen Bedingungen beschränken aber auch die Ausbildungsarbeit. Lange Listen an Kunden müssen abgearbeitet werden, Platz für Modelle gibt es aufgrund der beschränkten Kundenanzahl nicht. Umstände, die zusätzlich erschweren: "Denen fehlen sechs Monate in ihrer Ausbildung. Jetzt ist Leila im ersten Lehrjahr, da ist das bei ihr nicht so dramatisch. Das kriegen wir nachgeholt. Aber ich habe auch eine im dritten Lehrjahr, die jetzt auf die Prüfungen zugeht, wo die praktischen Stunden einfach unheimlich fehlen", erklärt Aline Pelzer.
Die Situation in den Ausbildungsbetrieben ist sehr unterschiedlich. Ein allgemeines Urteil lässt sich nicht fällen, zu verschieden sind die Branchen. Selbst innerhalb bestimmter Sektoren gibt es Unterschiede. Das zeigt ein Blick in den Horeca-Bereich: "Es ist natürlich so, dass der abwechslungsreiche Alltag, der einen Horeca-Betrieb ausmacht, im Moment natürlich wegfällt. Dann versucht man eben so gut es geht, trotzdem die Auszubildenden zu begleiten. Dann hat man vielleicht jetzt ein bisschen mehr Zeit. Aber es fehlen eben dann die alltäglichen Situationen hier mit den Gästen im Restaurant, in der Bar oder beim Frühstücksservice zum Beispiel", sagt Tanja Pip.
Tanja Pip betont immer wieder, dass ihre Situation nicht vergleichbar ist mit anderen Horeca-Betrieben. Nicht jeder hat ein parallel laufendes Hotel. Auch ist To Go nicht immer eine Option. So können manche Ausbilder aktuell gar keine Praxis bieten - gezwungenermaßen. Das ZAWM hat während dieser Zeit vermehrt praxisorientierte Unterrichte erteilt, um so zu kompensieren. Die Erfahrungen sind andere: "Man lernt eben etwas anderes. Also die Lehrlinge lernen jetzt selbstständiger zu arbeiten, sich zu organisieren. Man hat auch dadurch, dass weniger Arbeit ist, viel mehr Zeit, zum Beispiel in der Küche Erklärungen zu geben. Ich glaube nicht, dass das langfristig gesehen einen Unterschied macht. Es ist natürlich so, dass jetzt eine allgemeine Perspektive her muss und dass sich wieder was ändern muss, damit wieder so ein gewisser Alltag stattfinden kann."
Jeder Sektor sei aktuell betroffen und jede Branche versuche - auch in der Ausbildung neuer Fachkräfte - bestmöglich mit der Corona-Krise umzugehen. Welche langfristigen Auswirkungen die Pandemie haben wird, kann noch niemand sagen, so Tanja Pip: "Ich denke, wie in vielen Berufen, dass es immer weniger werden. Aber ich denke, dass es ein Beruf ist, der sehr interessant ist. Weil eine Lehre eigentlich die beste Mischung aus Praxis und Theorie ist. Man ist direkt Teil eines Teams, man kann sofort mit anpacken. Das ist für mich die beste Voraussetzung, um auch einen Handwerksberuf zu erlernen."
Virginie Töller lernte über einen Studentenjob die Arbeit im Hotel kennen. Sie entschied sich für eine Lehre. Trotz Einschränkungen steht sie zu ihrer Entscheidung: "Das ist ein abwechslungsreicher Beruf und man hat viel Kontakt mit den Menschen. Das gefällt mir an dem Beruf sehr. Ja, also ich finde, es kommt sowieso irgendwann wieder zurück und dann ist das wieder normal. Ich bin aber schon mal froh, dass ich im Moment trotzdem arbeiten kann."
Ein ähnliches Urteil fällt man auch im Friseursalon in Eupen: "Ja, ich bin auf jeden Fall dabei geblieben. Das ist für mich kein Grund, jetzt ein schlechtes Gewissen zu haben, nur wegen Corona", sagt Leila Mesic.
Andreas Lejeune