Große Mengen Kerosin abzulassen ist nicht erfreulich, aber notwendig, wenn Leben auf dem Spiel stehen. Von der Boeing 747-400, die am Samstag unmittelbar nach dem Start in Maastricht aufgrund von Triebwerksproblemen in Schwierigkeiten geriet, hat man tatsächlich die Aussprühanlagen des vollgetankten Frachtflugzeugs in Gang gesetzt, wodurch innerhalb einer halben Stunde mehr als 40 Tonnen Kerosin über Verviers und Umgebung ausgetreten sind. Wenn möglich soll ein Flugzeug vor einer Notlandung leichter sein.
Das Gespräch zwischen den Piloten und dem Kontrollturm am Flughafen Maastricht wurde aufgezeichnet und landete auf einem YouTube-Kanal von Flugzeugenthusiasten. Man kann hören, wie die Piloten zunächst das Notsignal "Mayday" aussenden. Dann bitten sie um eine Notlandung auf dem nahegelegenen Flughafen von Lüttich, weil dieser eine längere Landebahn hat als der Flughafen Maastricht. Hinzu kommt der Hinweis, dass man Treibstoff ablassen muss.
In Absprache mit dem Kontrollturm hat der Pilot beschlossen, fünf Umläufe über der Region von Verviers in einer Höhe von 10.000 Fuß, also etwa drei Kilometern, zu machen und dort den Treibstoff abzulassen. Eine halbe Stunde später konnte das Flugzeug in Lüttich gelandet werden. Christian Delcourt, Sprecher des Flughafens Lüttich, bestätigte die Kerosinausschüttung. Das Verfahren ist in der Tat nicht naturfreundlich. Aber wenn Menschenleben auf dem Spiel stehen, kann es notwendig sein. Grundsätzlich versuche man immer, den Treibstoff über unbewohnten Gebieten, wie zum Beispiel der Nordsee, abzulassen. Jetzt war das wegen der Entfernung nicht mehr möglich, so Delcourt.
Nicht wegen einer Explosion
Das Ablassen von Treibstoff im vollen Flug ist eigentlich eine seltene Ausnahme, aber bei Notlandungen mit bestimmten Flugzeugtypen, wie zum Beispiel der Boeing 747-400, ist es in einigen Fällen tatsächlich Standardprozedur. Dieser Flugzeugtyp ist dafür ausgelegt, sehr weit zu fliegen. Sie haben sehr große Treibstofftanks. Wenn kurz nach dem Start etwas schief geht, sind die Tanks noch voll. Wenn das Flugzeug so landet, kann es durch sein Fahrwerk brechen", sagte Joris Melkert, Dozent für Luft- und Raumfahrttechnik an der TU Delft der Zeitung De Standaard. Es gehe nicht darum, Explosionen zu verhindern. Das Kerosin, das in Flugzeugen verwendet wird, sei nicht so leicht entflammbar wie Diesel.
Um das Kerosin abzulassen hat die Boeing 747 Düsen an den Enden ihrer Tragflächen. Laut Melkert sind sie dafür ausgelegt, den Kraftstoff zu zerstäuben. So verdunstet der größte Teil des versprühten Kerosins, bevor es auf den Boden trifft. Er geht aber davon aus, dass die Einwohner von Verviers an diesem Tag etwas Seltsames gerochen haben. Aber selbst wenn das ganze Kerosin in der Atmosphäre verdampft, sei es ganz klar schlecht für die Umwelt.
Zwei Bewohner der niederländischen Gemeinde Meerssen wurden jedenfalls durch herabfallende Triebwerkteile leicht verletzt. Die niederländische Luftfahrtbehörde hat eine Untersuchung eingeleitet. Das Flugzeug wurde am Montagabend wieder freigegeben, aber das beschädigte Triebwerk und die Blackbox wurden für weitere Analysen beschlagnahmt, teilte die zuständige Behörde mit.
Manuel Zimmermann