Hybridunterricht ist nicht nur in Ostbelgien inzwischen ein fester Begriff. Dabei werden in den Sekundarschulen die Kinder teils in den Klassen, teils zuhause unterrichtet. Digitale Lernplattformen spielen eine essentielle Rolle. Und das wird wohl noch eine Zeit lang so bleiben.
"In Belgien gilt der Hybridunterricht als die beste Formel, damit Schüler nicht komplett verloren gehen oder vom Radar verschwinden", kommentiert Thomas Tychon, Gewerkschaftssekretär der CSC. "So haben die Lehrer die Möglichkeit, die Schüler dann doch immer noch eine Woche auf zwei zu sehen, damit die Bildungsgerechtigkeit bestmöglich gewährt wird."
Nicht nur die Bildungsgerechtigkeit, auch der persönliche Kontakt ist ein Vorteil des Modells. Theresa Croé ist Abiturientin am Königlichen Athenäum in Eupen. Auch sie kann sich mit dem Modell anfreunden. "Ich finde es sehr wichtig. Die Pausen verbringen wir immer mit den Freunden und erzählen uns alles. Aber wir haben auch während der Woche, wenn wir zuhause sind, Kontakt über Social Media."
Digitalisierung noch nicht abgeschlossen
Damit ein solches Modell funktioniert, braucht es viele Elemente. Der digitale Unterricht muss möglich und machbar sein. Die Internetverbindungen an den Schulen scheinen dafür nicht immer auszureichen. Und auch personell - für Lehrer, Schüler und Eltern - handelt es sich um eine neue Situation. Das unterstreicht auch Sabine Jakobs, Präsidentin des Elternbundes Ostbelgien.
"Der Wunsch, den wir haben, ist dass wir die Situation nutzen, um alle voneinander zu lernen und dass wir das jetzt auch nutzen, um mit der Digitalisierung weiter zu kommen. Denn wir glauben nicht, dass die Situation jetzt in drei, vier, fünf Wochen vorbei ist", sagt Sabine Jakobs.
Denn auch wenn man meinen könnte, dass das digitale Klassenzimmer inzwischen ein fester Bestandteil der Schule ist, die Digitalisierung ist längst noch nicht abgeschlossen. "Das war in der Tat schon eine riesengroße Herausforderung für alle Lehrpersonen", sagt Thomas Tychon. "Auch weil das ja quasi von heute auf morgen ging, wo Lehrer sich ganz kurzfristig umstellen mussten, wo auch sehr viele Lehrer mir Rückmeldung gegeben haben, dass das schon mit einer immensen Mehrbelastung verbunden ist."
Genau diese Mehrbelastung wirkt auch auf die Schüler, wie Theresa Croé meint. "Ich denke schon, dass es für kleinere, also für die jüngeren Jahrgänge schwieriger ist. Und für manche ist es vielleicht auch eine Überforderung, wenn sie nicht so gut alleine arbeiten können."
Auch die Eltern einbinden
Aus solchen Missständen sollen die richtigen Lehren gezogen werden. Dafür plädieren Sabine Jakobs und der Elternbund. Was dafür nötig ist: ein möglichst breiter Dialog, sagt Sabine Jakobs. "Wir müssen uns mehr mit Digitalisierung an Schulen beschäftigen. Nicht nur die Kinder müssen geschult werden und die Lehrer, sondern auch die Eltern. Und in diesem Prozess muss man die Eltern mit einbinden, um zu gucken, was Eltern leisten können und was nicht."
Die aktuelle Situation bleibt ein Übergang und eigentlich auch eine Ausnahmesituation. Als solche muss sie erkannt werden, findet der Elternbund. "Dennoch werden von den Kindern die gleichen Leistungen erwartet, als wäre nichts gewesen", sagt Sabine Jakobs. "Es gibt eine Fixierung auf das, was in einem Schuljahr geleistet werden muss. Ich kann es verstehen, weil da viel Stoff drauf aufbaut. Aber da fehlt mir so ein bisschen die Flexibilität in den Lehrplänen."
Essentieller Beruf
Doch nicht nur die Schüler haben aktuell mehr zu leisten, auch die Lehrer müssen weitere Wege gehen. Gerade jetzt sollte darauf geachtet werden, dass der Lehrerberuf nicht an Attraktivität verliert, findet Thomas Tychon.
Sein Vorschlag: "Den Lehrberuf sehen wir als essentiellen Beruf an, der auch möglichst aufrecht erhalten werden soll, falls es die sanitäre oder epidemiologische Situation erlaubt. Deshalb plädieren wir dafür, in der nächsten Phase der Impfstrategie auch die Lehrer zu überprüfen, ob da eine Priorisierung der Impfstrategie möglich wäre." Die vielen Erfahrungen der verschiedenen Akteure zeigen eins: Es gibt viele Stellschrauben, an denen gedreht werden könnte.
Infektionsherde in den Schulen: Schnelle Reaktion gefordert
Vor gut einer Woche haben der Kindergarten und die Grundschule des Königlichen Athenäums St. Vith schließen müssen. Grund waren mehrere Coronainfektionen bei Lehrern und Schülern. In einer Testreihe wurden insgesamt 55 Personen positiv getestet.
Der Elternbund fordert bei ähnlichen Fällen in Zukunft schnelle Reaktionen. "Schulen sollen so lange offen gehalten werden, wie es geht. Wenn dann aber in irgendeiner Schule ein Infektionsherd festgestellt wird, dann muss man auch zügig sagen: Jetzt schließen wir diese Schule, damit dieser Herd nicht zu groß wird", sagt Präsidentin Sabine Jakobs.
Andreas Lejeune