In allen Lokalsektionen des Roten Kreuzes sind neue Kunden hinzugekommen. Die Lebensmittelbank St. Vith zum Beispiel versorgt zurzeit bis zu 420 Personen. Seit ihrer Einrichtung im Jahr 2000 gibt es immer mehr Bedürftige.
Und in den letzten Monaten ist die Nachfrage noch größer geworden. "Es ist ja auch so, dass der Winter vor der Tür steht. Die Ausgaben in den Haushalten sind jetzt höher. Man muss dafür sorgen, dass man Heizöl hat. Viele Leute sind kränklich, brauchen Medikamente, haben Arzt- und Apothekenkosten. Die Lebenshaltungskosten sind gestiegen", sagt Marie-Hélène Düsseldorf, die Präsidentin des Roten Kreuzes St. Vith/Burg Reuland.
"Das ist jedes Jahr vor dem Winter so, dass mehr Leute und auch andere Leute zur Lebensmittelhilfe kommen. Dann gibt es aber auch die Menschen, die coronabedingt auf Kurzarbeit sind und die Leute, die die Kinder jetzt wieder zuhause haben. Es wird mehr in den Haushalten gebraucht. Alles ist teurer geworden und das geringe Einkommen reicht halt nicht mehr."
Die Corona-Krise hat auch die Arbeit bei der Lebensmittelhilfe in St. Vith stark verändert. Für Senioren und Risikopatienten wurde ein Lieferdienst eingerichtet, alle anderen müssen sich in Geduld üben. "Es ist nicht einfach, jetzt zur Lebensmittelhilfe zu kommen. Die Auflagen sind sehr hoch, die Leute stehen draußen und es dauert alles länger. Die Hygienemaßnahmen sind sehr streng. Aber die Leute kommen, weil sie es brauchen. Der Bedarf steigt langsam, aber stetig."
Gleichzeitig sind aber die finanziellen Mittel der Lebensmittelbank stark zurückgegangen, bedauert Marie-Hélène Düsseldorf.. "Die Ausgaben steigen, die Einnahmen sind weg - so ungefähr kann man es in einem Satz sagen. Unsere Kleiderbörse ist jetzt zum zweiten Mal geschlossen, d.h. für die Festkosten des Hauses müssen wir schauen, wo wir das Geld her bekommen. Die Lebensmittelhilfe funktioniert mit Sachspenden und finanziellr Unterstützung von außerhalb. Beides brauchen wir."
Doch auch daran mangelt es in diesem Krisen-Jahr. "Wenn ich von Privatspenden ausgehe, war dieses Jahr das schlechteste Jahr seitdem ich beim Roten Kreuz bin - und das sind doch schon über 20 Jahre. Es ist auch verständlich, denn es sind sehr viele Leute, die auf Spenden angewiesen sind - und Ostbelgien ist schon sehr spendefreudig. Der Kuchen bleibt, aber die Stücke werden kleiner - damit müssen wir uns jetzt und auch in Zukunft abfinden."
Bis Mai ist die Lebensmittelhilfe in St. Vith aber schonmal gesichert, wie Marie-Hélène Düsseldorf sagt - auch dank der Unterstützung der Regierung, die die Hilfen für die Lebensmittelbanken in der DG verdoppelt hat. "Außerdem haben wir in St. Vith das Glück einer guten Partnerschaft mit den Rotariern, die uns das Geld dieses Jahr schon früher überwiesen haben, damit wir bis Mai, Juni planen können. Wenn es nicht zu einer Katastrophe kommt, wir alle gesund bleiben und die Mitarbeiter mitziehen, können wir es bis zum Frühjahr 'wuppen', aber wir werden sehen."
Marie-Hélène Düsseldorf will zuversichtlich in die Zukunft schauen - und doch macht sie sich große Sorgen. "Ich gehe davon aus, dass es auch bei dieser Krise so ist, wie es immer war: Ostbelgien kommt immer mit ein bisschen Verspätung hinterher. Ich höre von den Kollegen aus Lüttich, Brüssel oder Charleroi, wie die Situation da ist, so dass ich davon ausgehe, dass sich die Krise im Januar, Februar hier so richtig niederschlagen wird. Die soziale Krise wird kommen - ich habe das im Gefühl aus der Erfahrung der vielen Jahre."
Melanie Ganser