"Das heißt natürlich, dass die wichtigen Reformen, die gemacht wurden, beibehalten werden und nicht auseinander klamüsert werden. Das bedeutet aber auch, neue Perspektiven zu schaffen, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln und eine Kapazität zu sichern, mit der wir unser Sozialsystem stärken", sagt Kattrin Jadin im BRF-Interview.
Bei sieben Koalitionspartnern ist aber doch davon auszugehen, dass jeder seine Trophäen davontragen will: "Letztendlich muss auch die Finanzierbarkeit neuer Maßnahmen ausbalanciert werden und gewährleistet bleiben. Uns lag vor allem daran, dass keine neuen Steuern eingeführt werden - nicht noch mehr, als jetzt schon der Fall …"
Auf der anderen Seite stellt sich bei einer Regierungsbildung immer auch die Frage nach dem 'Casting'. "In meiner Partei hat es da einiges an Kakophonie gegeben. Darüber werden wir sicher noch sprechen müssen", gibt Jadin zu. Die bisherige Premierministerin Sophie Wilmès darf ihre politische Erfahrung künftig als Vizepremier- und als Außenministerin einbringen. Der bisherige Haushaltsminister David Clarinval übernimmt unter anderem die Ressorts Landwirtschaft und Mittelstand von seinem Parteikollegen Denis Ducarme, der sich mit dem Fraktionsvorsitz in der Kammer trösten muss.
Wer die Wahl hat, hat die Qual
Keinen neuen Ministerposten gibt es auch für Pensionsminister Daniel Bacquelaine, Energieministerin Marie-Christine Marghem, Außen- und Verteidigungsminister David Goffin und Verkehrsminister François Bellot. "Es gibt sicher den ein oder anderen, der enttäuscht ist. Im Französischen sagt man: 'Choisir c'est renoncer', und es ist auch ein schwieriges Unterfangen: In der letzten Föderalregierung hatten wir sieben Minister, jetzt noch zwei, das ist absolut okay und entspricht auch der Repräsentativität unserer Partei in dieser Regierung."
Mathieu Michel, der jüngere Bruder von Ex-Premierminister Charles Michel, wird immerhin noch Staatssekretär für die digitale Agenda und administrative Vereinfachung. Kattrin Jadin räumt auch ein, dass es dem Parteipräsidenten, also Georges-Louis Bouchez obliegt, die Kandidaten für die Regierungsposten zu bezeichnen: "Es ist aber auch wichtig, Werte wie Respekt in zwischenmenschlichen Beziehungen zu wahren" - unabhängig von den persönlichen Ambitionen. "Einen Anruf zu erhalten, wäre doch das Mindeste."
Zu einem Knackpunkt innerhalb der neuen Mehrheit, insbesondere mit der CD&V, könnte die Lockerung des Abtreibungsgesetzes mit der geplanten Fristverlängerung werden. "Der Text soll nochmal in den Justizausschuss", um zu sehen, inwiefern noch Änderungen angebracht werden müssen. "Das ist etwas, das die nächsten Wochen und Monate in Angriff genommen werden muss. Wir werden sehen, wie sich das entwickelt."
Stephan Pesch