Zur Abstimmung ist es gar nicht erst gekommen. Der Text wurde nun schon zum dritten Mal zur Prüfung zum Staatsrat geschickt. Erforderlich sind dafür 50 Stimmen. Und die kamen von der CD&V, der CDH, der N-VA sowie dem Vlaams Belang.
Die liberale Abgeordnete Kattrin Jadin, die an dem Gesetzesvorschlag mitgearbeitet hat, findet das in erster Linie befremdlich: "Wir haben in der Tat sehr lange und auch sehr breit über diese Gesetzgebung diskutiert - auch mehrmals im zuständigen Justizausschuss. Nun ist es schon das dritte Mal, dass die Abstimmung verhindert wird", beklagt Jadin. "Mittlerweile werden da meines Erachtens auch alle institutionellen Möglichkeiten ausgemerzt. Das finde ich in einer Demokratie doch sehr befremdlich."
In dem Gesetzesvorschlag geht es um eine Liberalisierung der Abtreibungsgesetzgebung. So soll zum Beispiel die Frist für einen Schwangerschaftsabbruch auf 18 Wochen erhöht werden. Jadin ist sich bewusst, dass dieses Thema emotional aufgeladen ist. "Es ist ein sensibles Thema - und man sollte natürlich auch die Sensibilität eines jeden respektieren", sagt Jadin.
"In meiner Partei sind auch nicht alle einer Meinung, was diese Gesetzgebung betrifft - und das ist auch gut so. Was allerdings nicht sein kann, ist, dass in ethischen Fragen zukünftige Koalitionsbündnisse ausschlaggebend sein dürfen. Das ist etwas was mich wirklich stört. Ganz besonders wenn es um ethische Fragen geht, sollten politische Spielchen außen vor bleiben."
Entschleunigung
Was die liberale Abgeordnete damit meint, sind die aktuellen Koalitionsverhandlungen zwischen CD&V und Liberalen. Joachim Coens, Parteipräsident der CD&V, hatte beide Debatten verbunden. Er kündigte nämlich an, dass er nicht weiter für die Regierungsbildung in Frage käme, sollte dem Gesetzesvorschlag zugestimmt werden.
Jadin ist irritiert von einem solchen Verhalten. "Wir werden auf jeden Fall alles daran setzen, nochmal ein bisschen Entschleunigung in diese doch sehr erhitzte Diskussion seitens des Vorsitzenden der CD&V zu bringen, um wieder auf ein sachlicheres Niveau zu kommen."
"Ich weiß, dass es ein sensibles Thema ist, dass die Sensibilitäten hier sehr unterschiedlich sein können und dass jeder Abgeordnete vor allem auf sein Gewissen hören muss, was diese Gesetzgebung betrifft. Politische Spielchen sind fehl am Platze", wiederholt Jadin noch einmal.
Politische Spielchen
An diesen "politischen Spielchen" war George-Louis Bouchez, Parteipräsident der MR, allerdings nicht ganz unbeteiligt. Er kündigte über Twitter an, dass die Abgeordneten frei nach ihrem Gewissen über die Thematik abstimmen dürften. Kattrin Jadin begrüßte dies. Coens hingegen fühlte sich hier wiederum hintergangen, da eine Abstimmung erst später erfolgen sollte.
Kattrin Jadin versteht die Aufregung nicht. "Die CD&V weiß, dass es zur DNA der Liberalen gehört, in ethischen Fragen frei zu entscheiden", betont Jadin. "Ich kann nur begrüßen, dass mein Parteipräsident hier nochmal unterstrichen hat, dass jeder Abgeordnete in ethischen Fragen nach seinem Gewissen entscheiden darf."
Irgendwann wird über den Text entschieden werden müssen - ob nach eigenem Gewissen oder nicht. Jadin glaubt nicht, dass der Gesetzesvorschlag bei den laufenden Koalitionsverhandlungen unter die Räder geraten wird. "Es wird nicht möglich sein, dass dieses Thema mit in die Koalitionsverhandlungen rutscht, aus dem einfachen Grund, dass der Text zurückgezogen werden müsste", erklärt Jadin.
"Dieser Text wurde aber durch eine PS-Abgeordnete, Frau Tillieux, eingereicht. Würde sie ihren Text zurückziehen, dann müssten sich natürlich auch die Koalitionsverhältnisse im Hinblick auf eine Föderalregierung maßgeblich geändert haben im Vergleich zu dem, was wir heute wissen."
Entschleunigung - das ist es, was man sich nun wünscht. Die Parteipräsidenten von MR und Christdemokraten haben ihren Streit inzwischen beigelegt. Damit einher geht auch der Beschluss, ethische Dossiers bei Verhandlungen über ein neues Regierungsabkommen zu diskutieren. Inwiefern dieser Ansatz nun den Gesetzesvorschlag voranbringen wird, bleibt abzuwarten.
Andreas Lejeune
Politische Spielchen auf dem Rücken der Bevölkerung. Da kann und darf nicht sein.