Rhabarberwurzel aus Tibet. Dort wächst sie in 3500 Metern Höhe. In Elsenborn wird sie zu Pulver vermahlen, aus dem dann ein Extrakt für ein Nahrungsergänzungsmittel gewonnen wird.
Dieses Produkt hat Tradition bei Ortis. Die Anfänge reichen bis in die Firmengründung 1958 zurück. Seitdem ist die Produktion gewachsen, erklärt Besitzer Michel Horn: "Für die wichtigste Pflanze, die wir hier verarbeiten, Rhabarbewurzel-Extrakt, haben wir schwer investiert. Wir haben zum Beispiel die NATEXTRA-Firma vor ein paar Jahren auf die Beine gebracht, um diese Substanzen aus den Pflanzen zu ziehen. Dieses Rhabarber-Extrakt läuft jetzt Gefahr, verboten zu werden. Das könnte für uns bedeuten, dass 60 Prozent unseres Umsatzes wegfällt."
Der Grund: von der EU vorgeschriebene Untersuchungen pflanzlicher Nahrungsergänzungsmittel. Die Kommission hatte Experten der europäischen Gesundheitsbehörde EFSA damit beauftragt, die Sicherheit der Präparate zu überprüfen. "Die haben dann als Schlussfolgerung geschrieben: Wir können nicht beweisen, dass es 100-prozentig sicher ist. Da kann man nichts mit anfangen. Die Frage war: Ist es sicher oder nicht", so Michel Horn.
Eine Frage, die auch andere Firmen betrifft. Als Vorsitzender des Europäischen Verbandes der Nahrungsergänzungsmittel-Hersteller spricht Michel Horn für rund 1.600 meist kleine und mittlere Unternehmen der Branche. Sie verweisen auf den traditionellen Gebrauch und die langjährigen positiven Erfahrungen mit ihren Präparaten und sehen die Untersuchungen der Gesundheitsbehörde EFSA als problematisch an, denn: "Dort sind Experten nicht in der Lage, sich mit natürlichen Substanzen auseinanderzusetzen. Sie denken an pure Substanzen und nicht daran, dass in einer Pflanze nicht nur das Molekül ist, sondern eine Matrix der verschiedenen Bestandteile, die manchmal, wenn es eine Nebenwirkung geben sollte, für ein spezifisches Molekül eine Gegenwirkung ausüben", sagt Michel Horn.
Der Markt für Nahrungsergänzungsmittel in Europa boomt: Jedes Jahr setzt die Branche 13 Milliarden Euro um. Der größte Markt ist Italien. Ortis selbst exportiert 80 Prozent seiner Produkte. Hauptabsatzland ist Frankreich: "Die Qualität verglichen mit vor 20 Jahren ist ganz anders. Viele Firmen haben strikte Qualitätsnormen eingeführt. Ich glaube, dass Gefahr aufgrund von Herstellungsverfahren nicht mehr besteht."
Doch die EU-Kommission steht unter dem Druck verschiedener Mitgliedsstaaten. Hinzu komme die große Lobbykraft der Pharma-Industrie. Was fehle seien genaue Anweisungen, wie sie die Beweise eines sicheren Präparates zu liefern hätten, so Horn: "Für uns als mittelständischer Betrieb ist es schwierig, etwas zu entwickeln, zu investieren, wenn man nicht genau weiß, was gefragt wird."
In den kommenden Wochen erwartet Ortis den definitiven Bescheid der Europäischen Kommission. Dann haben die Hersteller die Möglichkeit, Stellung zu nehmen. "Wir müssen dann innerhalb von 18 Monaten Beweise bringen, dass es absolut sicher ist. Dann fängt die ganze Geschichte an: Was müssten wir vorbringen, dass EFSA zufrieden gestellt wird."
Um die Zukunft des Unternehmens mit 125 Arbeitsplätzen zu sichern, hat Ortis einen Überlebensplan in der Schublade - für den Fall, dass das Rhabarberpräparat verboten und vom Markt genommen würde. Michael Horn hofft jedoch noch, dass die EU-Kommission andere Wege findet.
Michaela Brück