Wie konnte es soweit kommen? Das war die zentrale Frage, die sich auch die vier Eifeler Abiturienten stellten, als sie auf Initiative der Stadt St. Vith vor zwei Wochen die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau besuchten.
"Man kennt zwar die Gräueltaten, aber wenn man da steht, ist es trotzdem anders. Es hat auf mich einen großen Eindruck hinterlassen", beschreibt Ivana Aldenhoff von der Maria-Goretti-Schule St. Vith. Tom Küpper vom Bischöflichen Institut Büllingen fand das Krematorium sehr beeindruckend: "Den Ort zu sehen, wo viele Juden umgebracht und verbrannt wurden, sehen, wo das passiert ist, war schon heftig."
Jeder sollte mindestens einmal im Leben die Gelegenheit nutzen, sich das anzuschauen, um eine Vorstellung davon zu bekommen, so ihre Botschaft an die Mitschüler.
Eine andere Informationsquelle sind die Zeitzeugen, die noch den Krieg erlebt haben. "Wir Schüler sind die letzte Generation, die noch mit Zeitzeugen in Kontakt kommen können. Und ich denke, es ist sehr wichtig, dass es weitergetragen wird", findet Pablo Ducomble vom Königlichen Athenäum St. Vith.
Victoria Weidisch von der BS fügt hinzu: "Wir haben ja selber noch Eltern und Urgroßeltern, die das miterlebt haben. Und ich denke, es ist wichtig, dass wir soviel wie möglich davon mitnehmen und den nächsten Generationen davon erzählen können, damit man sich erinnert."
Auf Vermittlung des Geschichtsvereins ZVS waren vier Zeitzeugen der Einladung gefolgt, über ihre Erlebnisse zu berichten: vor, während und nach dem Krieg.
Resi Lemaire-Zinnen aus Rodt wird demnächst 90 und kann sich noch gut daran erinnern, wie ihr als jungem Mädchen ein amerikanischer Soldat Brot schenkte, was einem seiner Kameraden missfiel. "Man sollte nicht zu schnell urteilen, hat mir meine Mutter beigebracht. Ich war wütend, als er mir das Brot zertreten hat, aber wer weiß, was ihm passiert ist, warum er so geworden ist ..."
Ernst Meyers aus Schönberg, ebenfalls Jahrgang 1930, kann sich an sehr interessante Begegnungen sowohl mit deutschen als auch mit amerikanischen Soldaten erinnern. Und daran, wie er als Jugendlicher durch die Schule und die Propaganda beeinflusst wurde: "Wir wurden überrumpelt und waren von dieser Sache begeistert und haben nachher festgestellt, dass wir uns schwer geirrt hatten. Viele Leute hatten kein Rundfunkgerät, aber wir hatten eines in der Schule und darauf hörten wir die Hitler-Reden - das war Pflicht."
Irmgard Margraff-Neuens aus Deidenberg war am Kriegsende 16 Jahre alt. Zusammen mit ihrem jüngeren Bruder war sie zwischenzeitlich von ihren Eltern getrennt worden und bei Verwandten in Deutschland untergekommen. Dort erlebte sie die Bombardierung der Stadt Siegen und verbrachte viele Stunden im Luftschutzkeller.
Ihre Botschaft an die Jugendlichen von heute ist darum eindeutig: "Dass sie vorsichtig sein sollen und immer die Ohren offen halten und vor allen Dingen dafür sorgen, dass alle in Frieden miteinander leben können."
Josef Knauf, heute 86, lebte mit seiner Familie am Prümer Berg in St. Vith. Dort erlebte er als kleiner Junge, wie die Deutschen 1940 einmarschierten. Bei der Bombardierung St. Viths im Sommer 1944 verlor er zwei Klassenkameraden, er sah wie die Stadt über Weihnachten fast völlig zerstört wurde und erlebte hautnah die Kämpfe um den Prümer Berg.
Er glaubt nicht, dass sich die Jugend heute ähnlich fehlleiten ließe wie damals. "Also ich persönlich glaube: Nein. Die jungen Menschen können sich heute überall informieren und das hatte man während des Krieges eben nicht."
Aber gerade die unbegrenzten Informationsmöglichkeiten bringen für Resi Lemaire auch eine Verpflichtung mit, die sie den Jugendlichen unter viel Beifall mit auf den Weg gab: "Man kann ihnen nur sagen: Informiert euch! Hinterfragt! Wenn Meldungen kommen, nicht sofort alles glauben."
"Nachfragen! Nicht nur über die heutigen Medien. Auch andere Menschen, andere Kulturen, andere Religionen - mit denen reden und zuhören. Sich dann erst ein Bild machen, und nicht sofort begeistert sein von irgend etwas. Das möchte ich der Jugend mitgeben."
Stephan Pesch