Aland war 15 Jahre alt, als er gemeinsam mit seinen vier Geschwistern und seiner Mutter nach Ostbelgien kam. "Wir sind 2010 nach Ostbelgien gekommen, weil mein Vater hier war. Ihm gefiel die Ruhe. Es war schwierig, vor allem die ersten Jahre, wegen der Sprache. Dann ging es immer besser."
Mittlerweile spricht der 24-Jährige fließend deutsch, hat die belgische Staatsangehörigkeit und betreibt mit seinem Bruder Bilind zwei Frisörgeschäfte: eins in Eupen und eins in St. Vith. "Ich habe das immer gerne gemacht und deswegen den Weg ausgesucht, Frisör - oder besser gesagt Barbier - zu werden."
Zur Freude seiner oft bärtigen Kundschaft. Das Geschäft läuft gut. Vor allem freitags herrscht in St. Vith Hochbetrieb mit bis zu 30 Kunden am Tag. Angefangen hat Alands Freude am Haarschneiden zwar in Belgien, doch inspiriert hat ihn auch seine nordsyrische Heimat. "Den Stil von dort habe ich mir schon abgeguckt und versucht, hier weiter zu machen."
Aland und seine Geschwister haben sich zurecht gefunden. In Nordsyrien ist es ihnen und ihren kurdischen Freunden und Verwandten aber anders ergangen. 2004 gab es einen Aufstand in ihrer Heimatstadt Al Qamashli, woraufhin zahlreiche Kurden willkürlich jahrelang inhaftiert waren, erinnert sich Aland. Freunde der Familie haben die Überfahrt nach Europa nicht geschafft und sind spurlos verschwunden.
Und nun kam der Einmarsch der türkischen Truppen in Alands Heimatstadt. "In Al Qamashli waren jetzt Bombardierungen. Wir haben noch Familie dort. Denen geht es zwar gut, aber anderen schlecht." Dass ihm persönlich etwas passieren könnte, befürchtet Aland bislang nicht.
Er möchte die Türken nicht alle über einen Kamm scheren – und hat sogar einige türkische Kunden. "Ich beurteile Menschen nicht nach Nation, Aussehen oder was auch immer. Wenn einer korrekt zu mir ist, bin ich genauso korrekt zu ihm. Aber ich habe nicht wirklich Kontakt zu Türken in Ostbelgien."
Selbst wenn kein enger Kontakt besteht, friedlich geht es hier trotzdem zu. Ob auch in Nordsyrien Ruhe einkehren wird, bleibt abzuwarten. Momentan gilt dort eigentlich eine Waffenruhe. Trotzdem hört man von weiteren Kämpfen "Ich glaube nicht, dass sich die türkische Regierung an die Waffenruhe hält. Ich glaube, es wird demnächst wieder etwas passieren. Und das ist traurig."
Raffaela Schaus