1919, also vor genau 100 Jahren, ist das Gebiet des heutigen Ostbelgiens belgisch geworden. Grund genug, die wechselnden Staatsangehörigkeiten des Gebietes genauer unter die Lupe zu nehmen, dachte sich der Geschichtsverein "Zwischen Venn und Schneifel".
Ausgangspunkt der Ausstellung "Wechselweise" ist aber der Wiener Kongress im Jahre 1815: der historische Moment, der unser hiesiges Gebiet erstmals zu einer Grenzregion machte. "Wir beginnen unsere Rückschau beim Wiener Kongress, weil da zum ersten Mal eine Grenze in unserem Gebiet entstanden ist: die niederländisch-preußische Grenze", erklärt der Leiter der Ausstellung, Klaus-Dieter Klauser. "Vorher gab es das französische Regime, aber da gab es keine Grenze. Die Franzosen gingen bis zum Rhein. Nach dem Wiener Kongress sind wir hier erstmals mit einer Staatsgrenze konfrontiert gewesen."
100 Jahre lang wird diese niederländisch-preußische, beziehungsweise ab 1830 belgisch-preußische Grenze bestehen bleiben. Die Zugehörigkeit zu Preußen war für die Gegend keine einfache Zeit. "Die arme Eifel, weit abgelegen von der Zivilisation, wurde von Preußen als preußisches Sibirien bezeichnet: rückständig und schwierige Lebensbedingungen. Preußische Beamte wurden hier meistens strafversetzt. Niemand wollte freiwillig in die Eifel. Man hat sich also schwer getan: sowohl die Preußen mit uns als auch umgekehrt", erklärt Klauser.
Der Anfang vom Ende als preußisches Gebiet war der Erste Weltkrieg, der den zweiten Teil der Ausstellung bildet. Als deutsches Gebiet blieb unsere Region während des Ersten Weltkrieges von Zerstörung verschont. Dennoch zogen auch hiesige Männer für das deutsche Reich in den Krieg. "Man war kaisertreu - in Malmedy genauso wie in St. Vith und Eupen. Ältere Männer waren nicht so enthusiastisch. Sie hatten den deutsch-französischen Krieg miterlebt von 1870 bis 1871. Aber die Jüngeren waren patriotisch erzogen worden. Frankreich war der Erbfeind und musste in die Schranken gewiesen werden."
In die Schranken gewiesen wurde aber letztendlich das Deutsche Reich: Deutschland musste Gebiete abgeben. Darunter das Gebiet Eupen-Malmedy, das somit belgisch wurde. Unfreiwillig, wie Klaus-Dieter Klauser weiß. "Das war wieder eine Episode, wo man nicht gefragt wurde, ob die Grenze so oder so verläuft. Die Menschen haben sich zum Teil arrangiert, aber es gab auch Widerstand. Man hat vor der Annexion eine Umfrage in Eupen und St. Vith gemacht, und die Meisten wollten in Deutschland bleiben."
Dennoch wurde das Gebiet an Belgien annektiert - unter dem Vorwand einer von Belgien unfair durchgeführten Volksbefragung. "Die große Mehrheit hat sich zurückgehalten. Repressalien wurden angedroht: Man verlor Lebensmittelzuweisungen, Landwirte fürchteten, ihr Hab und Gut zu verlieren. Da hielt jeder sich zurück, weil die Lebensgrundlage in Gefahr war", weiß Klauser.
Der dritte und letzte Teil der Ausstellung befasst sich mit der Baltia-Zeit 1920-25: benannt nach dem General Baltia, der das Gebiet Eupen-Malmedy übergangsweise und teils autoritär leitete. "Er hat auch Pressezensur betrieben", weiß Klauser. "Aber die Mentalität damals war auch anders. Man war autoritätsgläubig."
Großen Widerstand gab es daher nicht. Die Bevölkerung konnte aber nicht nur durch Autorität, sondern auch mit großzügigen Gesten pro-belgisch gestimmt werden. "Zur Baltia-Zeit ist noch zu sagen: Er hat sich bemüht, den Lebensgewohnheiten Rechnung zu tragen. Deutsch zum Beispiel wurde akzeptiert und war eine Amtssprache. Die deutsche Reichsmark wurde eins zu eins ersetzt, obschon die Mark enorm an Wert verloren hatte. Das hat dazu beigetragen, dass die Stimmung pro-belgisch war."
Neben umfangreichen Textmaterialien gehören natürlich auch Karten zur Ausstellung, die das Grenzen-Hin und -Her illustrieren. "Wir haben eine originale Karte, auf der man sieht, wie die Grenze vermessen wurde. Das hat zwei Jahre gedauert. Erst 1922 war die Grenze richtig vermessen. Wir haben auch einige Schriften, die in dieser Zeit veröffentlicht wurden: Propagandaschriften, die argumentieren, warum das Gebiet zu Deutschland oder Belgien kommen muss."
Wer auf's Lesen verzichten möchte, kann sich im Museum aber auch den Ausstellungsfilm ansehen oder eine Führung anfragen.
Die Ausstellung im ZVS-Museum bleibt noch bis Februar nächsten Jahres in St. Vith. Sie ist zu den üblichen Öffnungszeiten (Montag bis Freitag: 13 bis 17 Uhr, Samstag: 14 bis 16 Uhr, Sonntag: 14 bis 17 Uhr) zu besichtigen. Dann wandert sie weiter nach Bütgenbach.
Raffaela Schaus