Frédéric Moray ist in Malmedy aufgewachsen. Dass seine Heimatstadt mal preußisch war, hat er in der Schule nie gelernt. Erst als Student ist ihm klar geworden, dass er aus einem jüngeren Teil Belgiens stammt.
"Ich bin nicht der Einzige. Meine Freunde haben das Gleiche erlebt. Wenn man in der Familie nicht darüber spricht, kennt man diesen Teil der Geschichte nicht. Das ist eine Wissenslücke. Und wenn man in Malmedy und Waismes schon nicht darüber spricht, wie ist es dann erst im Rest vom Land. Als ich mich in Lüttich oder Brüssel als Student aus Malmedy vorgestellt habe, nannten sie mich einen 'Boche' – einen deutschen Holzkopf. Und ich wusste nicht mal, warum sie das sagten. Und sie eigentlich auch nicht. Ich finde es ist auch aus aktuellen Gründen eine Pflicht, die Geschichte des eigenen Landes zu kennen", sagt Moray.
Damit die Geschichte der Ostkantone bekannter wird, hat Frédéric Moray die interaktive Internetseite ‚de gré ou de force‘ (Freiwillig oder mit Gewalt) geschaffen. Im Mittelpunkt steht die Zeit zwischen den zwei Weltkriegen. Der Besucher wird mitgenommen auf eine Zeitreise, in der er sich selbst die Frage stellen muss: Wie hätte ich damals selber entschieden? Hätte ich eine pro-belgische oder eine pro-deutsche Partei gewählt? Wäre ich für Deutschland in den Zweiten Weltkrieg gezogen oder in den Widerstand gegangen?
Die Wahl entscheidet, welches Video man daraufhin zu sehen bekommt. Unter den Zeitzeugen sind nicht nur Malmedyer, sondern auch Menschen aus Eynatten oder Bütgenbach. "Durch den Versailler Vertrag wird das Gebiet 1919 Belgien zugesprochen. Es folgt eine Volksbefragung, die keine echte ist. Die Bevölkerung hängt zwischen dem Land Belgien, das die neuen Bürger nicht wirklich integriert und einem Deutschland, das mit Propaganda versucht, diese Bevölkerung wieder auf seine Seite zu ziehen. Diese Geschichten stellen wir dem Publikum und insbesondere Schulen zur Verfügung, damit sie diesen unbekannten Teil der Geschichte kennen lernen", so Moray.
Die Internetseite will nicht richten, sondern gut erklären. Wie ein roter Faden führt der Eupener Historiker Christoph Brüll durch die Geschichte der Ostkantone. Einen kleinen Haken gibt es aber noch: "Ich hoffe, dass ich schon bald eine deutsche Fassung anbieten kann. Übersetzt werden die Texte auf jeden Fall. Aber es wäre schön, wenn man die Zeitzeugen, die zum Großteil ohnehin deutschsprachig sind, nochmal in ihrer Muttersprache interviewen könnte. Das braucht etwas mehr Zeit und auch eine Finanzierung. Hoffentlich können wir auch das schon sehr bald möglich machen", wünscht sich Moray.
Interessant wäre es ja. Nicht nur für tausende Ostbelgier, sondern vielleicht auch für zahlreiche Deutsche, Schweizer und Österreicher.
Fréderic Moray interessiert sich schon länger für das Thema. 2015 hat er für "Malmedy/Waimes. Ces Wallons qui ont combattu pour l‘Allemagne" (Malmedy-Weismes. Die Wallonen die für Deutschland gekämpft haben) den Belfius-Pressepreis für die beste französischsprachige Radioreportage erhalten.
Manuel Zimmermann