Das Koalitionsabkommen von ProDG, SP und PFF sah als Parlamentspräsidenten Karl-Heinz Lambertz (SP) vor. Die drei Oppositionsfraktionen CSP, Vivant und Ecolo hatten als eigene Kandidatin Patricia Creutz-Vilvoye (CSP) vorgeschlagen, mit der Maßgabe, dass sie den PDG-Vorsitz und das Mandat der Gemeinschaftssenatorin in Personalunion ausüben werde.
Wenig überraschend fiel die Wahl der frisch vereidigten PDG-Mitglieder mit 13:12 Stimmen zugunsten von Karl-Heinz Lambertz aus. An seiner Wahl gab es keinen Zweifel, auch wenn in den vergangenen Wochen viel Kritik an dieser personellen (und persönlichen) Entscheidung geäußert wurde. Darauf ging er während der Sitzung mit keinem Wort ein.
Im BRF-Interview äußerte er sich auf Nachfrage dann doch: "Es ist sehr viel diskutiert worden, auch wahnsinnig viel gehetzt worden - weit unter der Gürtellinie. Aber darauf möchte ich jetzt nicht im Einzelnen eingehen", so Lambertz.
Er habe das Amt deshalb angenommen, "weil ich glaube, in der letzten Phase meines politischen Wirkens hier an der Spitze des Parlaments einen konstruktiven Beitrag zur Weiterentwicklung unserer Gemeinschaft leisten zu können".
Streitkultur verbessern
In seiner Ansprache sah der Präsident auf Parlament und Regierung "große Herausforderungen" zukommen. Es gehe darum, "die Stellung und den Stellenwert" der Deutschsprachigen Gemeinschaft "nach innen und nach außen zu festigen und weiter auszubauen".
Die Parlamentsarbeit gelte es, "noch wirkungsvoller zu gestalten", unter anderem, indem man sich mehr auf die eigenen Zuständigkeiten besinne und die "Streitkultur in diesem Haus" verbessere. "Ich glaube, dass in diesem Hause sehr oft sehr unsachlich diskutiert worden ist", so Lambertz im BRF-Interview, "vielleicht habe ich auch schon mal dazu beigetragen. Aber ich möchte unterstreichen, dass ich immer nur auf Angriffe miesester Art reagiert habe. Dazu stehe ich auch."
Er könne sich eine bessere Streitkultur vorstellen, sagte der neue PDG-Präsident unter Hinweis auf Zeiten, "als hier Leute wie Albert Gehlen waren, die auch sehr hart argumentierten, aber in der Sache und nicht durch Verunglimpfung des politischen Gegners".
Beim ständigen Bürgerdialog, dessen Einführung das Parlament zum Ende der vorigen Legislaturperiode beschlossen hatte, müsse dafür gesorgt werden, "dass die in ihn gesetzten Erwartungen nicht enttäuscht werden".
Wachsam bleiben
Es sei aber nicht die einzige Möglichkeit, die Partizipation zu fördern. Lambertz nannte die Kontakte zu den Gemeinden, zu den Sozialpartnern und zur organisierten Zivilgesellschaft, aber auch zu Partnern im In- und Ausland, die es auszubauen gelte.
"Mit großer Wachsamkeit" müsse die weitere Entwicklung des belgischen Bundesstaates verfolgt werden, um Veränderungen frühzeitig zu erkennen.
Noch vor Beginn der neuen Sitzungsperiode im Herbst will der neue PDG-Präsident alle Fraktionen zu einem Gespräch einladen.
Lambertz hatte die Funktion des Parlamentspräsidenten schon vor fünf Jahren ausgeübt, ehe er im Wechsel mit Alexander Miesen (PFF) das Mandat des Gemeinschaftssenators übernahm.
Der heute 67-jährige SP-Politiker vertritt die Deutschsprachige Gemeinschaft auch weiterhin im Ausschuss der Regionen (AdR), dessen Vorsitz er derzeit innehat, und im Kongress der Gemeinden und Regionen (Europarat).
Senatorenwechsel im März 2022
Alexander Miesen, zuletzt Parlamentspräsident, wurde, wie im Koalitionsabkommen vorgesehen, vom Plenum mehrheitlich zum Gemeinschaftssenator gewählt. Ab März 2022 übernimmt diese Funktion sein PFF-Fraktionskollege Gregor Freches.
Unter den 25 PDG-Mitgliedern sind auch einige neue Gesichter: Bei ProDG sind das José Grommes aus Walhorn und Joseph Hilligsmann aus Kelmis, der wie Freddy Cremer für die beiden Regierungsmitglieder Paasch und Mollers nachrückt. Cremer übernimmt auch den Vorsitz in der sechsköpfigen ProDG-Fraktion, zu der außerdem Lydia Klinkenberg, Petra Schmitz und Liesa Scholzen gehören.
Einige neue Gesichter
Die CSP hat einen Sitz verloren und verfügt ebenfalls über sechs Mandate. Den Fraktionsvorsitz übernimmt der Eupener Colin Kraft, der als gewählter Mandatar im Parlament ebenso neu ist wie Jolyn Huppertz. Die Kelmiserin ist mit 23 Jahren das jüngste Mitglied im neuen PDG. Parlamentserfahrung haben bereits die CSP-Abgeordneten Patricia Creutz-Vilvoye, Jérôme Franssen, Robert Nelles und Sandra Houben-Meessen.
Mit vier Mitgliedern ist auch weiterhin die SP im PDG vertreten: Karl-Heinz Lambertz übernimmt, wie gesagt, die Präsidentschaft. Neu ist hier Céline Kever aus Büllingen, während Edmund Stoffels nach 20 Jahren als wallonischer Regionalabgeordneter und somit beratendes PDG-Mitglied nun wieder ein effektives Mandat im Eupener Parlament wahrnimmt. Der alte und neue Fraktionsvorsitzende Charles Servaty rückt für Minister Antonios Antoniadis nach.
In der Vivant-Fraktion erhalten Michael Balter und Alain Mertes Unterstützung durch Diana Stiel aus Raeren.
Bei Ecolo wird der Fraktionssprecher Freddy Mockel künftig durch die beiden Neulinge Inga Voss-Werding aus Lascheid und Andreas Jerusalem aus Raeren verstärkt.
Die PFF kommt nach dem Verlust eines Sitzes im neuen PDG nur noch auf drei Sitze und stellte bei den Wahlen prozentual die schwächste Liste.
Den Fraktionsvorsitz behält Gregor Freches, der also im März 2022 das Mandat des Gemeinschaftssenators von Alexander Miesen übernehmen wird. Evelyn Jadin, die dem PDG ebenfalls bereits angehörte, rückt für Ministerin Isabelle Weykmans nach.
Erstes Kräftemessen um Ausschussvorsitz
Vivant und Ecolo stellen durch den Zugewinn von jeweils einem Sitz mit nun drei Mandaten eine anerkannte Fraktion. D.h. sie haben auch in den Ausschüssen Stimmrecht. Um dieser neuen Situation Rechnung zu tragen, zählen die PDG-Ausschüsse künftig neun Mitglieder: drei für ProDG, zwei für die CSP und jeweils eins für SP, Vivant, Ecolo und PFF.
Einen ersten Vorgeschmack auf die künftigen Debatten im PDG gab es, als die Oppositionsfraktionen Ecolo, Vivant und CSP auf ihren Vorschlag zurückkamen, "im Sinne der Demokratie" den Vorsitz in den vier Ausschüssen auf alle Fraktionen zu verteilen."Das entsprach mehr dem Votum und der Sitzverteilung", erklärte Ecolo-Sprecher Freddy Mockel im Anschluss an die Sitzung, "so dass nicht ein Übergewicht von ProDG oder der Mehrheit ausgespielt wurde. Es wäre eine gerechtere Verteilung gewesen."
Die Mehrheitsvertreter, einschließlich des Präsidenten, beriefen sich aber auf die geltende Geschäftsordnung. Man könne sich durchaus darüber unterhalten, wie man das in Zukunft verändern kann, sagte Karl-Heinz Lambertz, "aber da es keine Einstimmigkeit gab, um von der Geschäftsordnung abzuweichen, haben wir diese angewandt."
Das wollte Vivant-Sprecher Michael Balter so nicht stehen lassen: "Wir wissen, wie das Wahlresultat war. Und man hätte zumindest in diesem Bereich einen Kompromiss finden können im Sinne der Ausgewogenheit. Das ist kein guter Start für diese Mehrheit in diese Legislatur."
Die nächste Plenarsitzung ist für den 16. September angesetzt.
Stephan Pesch
Dann hoffen wir mal auf harte sachbezogene Debatten.
Die Diskussion um KHL und dessen Wahl zum PdG Praesidenten hat dem Ansehen dieses Amtes sehr geschadet. Vorurteile wie Postenjaegerei, Macht-und Geldgier wurden bestaetigt. KHL, ein verdientes Arbeitspferd, hat sich selber keinen Gefallen getan.
Um das in Zukunft zu verhindern, sollte der PdG Praesident direkt vom Volk gewaehlt werden, weil er Ja auch der hoechste Repraesentant der DG ist.