Mitreden, mit gestalten, etwas bewegen - all das sollen die Bürgerinnen und Bürger der DG schon bald machen können. Bürgerbeteiligung ist da das Schlüsselwort. Vor anderthalb Jahren hat es bereits einen ersten Bürgerdialog zum Thema Kinderbetreuung gegeben. Was damals noch eine einmalige Initiative war, soll in Zukunft zur Regel werden.
Eine Bürgerversammlung soll sich ein- bis dreimal pro Jahr mit Themen auseinander setzen, die gerade zur Diskussion stehen. Ein Bürgerrat wird die zu besprechenden Themen festlegen, außerdem gibt es einen ständigen Sekretär. "Der Dekretvorschlag sieht ausdrücklich vor, dass die Bürgerinnen und Bürger die Themen setzen. Als Parlamentsfraktion oder Regierung können wir zwar Vorschläge einbringen, aber letztendlich entscheiden die Bürgerinnen und Bürger selbst über das, worüber sie diskutieren möchten", erklärt Parlamentspräsident Alexander Miesen.
"Es gibt im Dekretvorschlag allerdings eine Grenze: Wir müssen uns immer im Rahmen der Autonomie bewegen, also dort, wo wir zuständig sind. Es macht keinen Sinn über Themen zu diskutieren, bei denen wir keine Entscheidungen treffen können."
24 Personen im Bürgerrat
Im Bürgerrat werden 24 Personen sitzen. Der Rat wird aus früheren Mitgliedern der Bürgerversammlung zusammen gesetzt. In der Bürgerversammlung nehmen zwischen 25 und 50 Bürger teil. Diese werden per Zufallsprinzip ausgesucht. Dennoch ist die Teilnahme freiwillig. Um zu verhindern, dass in der Versammlung politische oder private Interessen vertreten werden, gibt es einige Regeln. "In den Bürgerversammlungen dürfen keine Mandatsträger tagen. so dürfen weder Regional- noch Lokalpolitiker in diesen Versammlungen sitzen", erklärt Miesen. 'Darüber hinaus gibt es einige Kriterien, damit wir eine möglichst heterogene Gruppe zusammenstellen können: Alter, Geschlecht, Geographie und der sozio-ökonomische Hintergrund werden berücksichtigt."
Der Dekretentwurf dazu wurde am Montagabend einstimmig im Parlament genehmigt - auch wenn die CSP mit ihrer plötzlichen Zustimmung bei der Mehrheit für Verwirrung sorgte und die Vivant-Fraktion auch Kritik äußerte. Michael Balter stellte die Frage, ob das Ganze nicht doch vielleicht eine gute Marketingstrategie sei und welche Intention denn hinter dem Projekt stecke. Es sei ein guter Anfang, aber als historischen Moment wollte die Vivant-Fraktion die Einführung des permanenten Bürgerdialogs nicht bezeichnen.
Mehr Verständnis
Es sei ein wichtiger Tag - das wurde am Montag gleich mehrmals erwähnt - von Fraktionsvorsitzenden, genauso wie von den beteiligten Experten. Denn dieses System der Bürgerbeteiligung sei einzigartig in Europa. Der Meinung war auch der flämische Autor David van Reybrouck, der als Experte an dem Projekt beteiligt war.
Was sich das Parlament durch diese aktive Bürgerbeteiligung erhofft, erklärt Alexander Miesen. "Das bringt eine interessante und spannende Expertise und Erfahrung ins Parlament. Wir erhöhen damit natürlich auch die Legitimation von politischen Entscheidungsprozessen und ich erhoffe mir ebenfalls, dass das Vertrauen und Verständnis für politische Entscheidungsprozesse erhöht wird."
Der erste Bürgerrat soll am 16. September eingesetzt werden. Bis zum Jahresende soll dann die erste Bürgerversammlung vorbereitet werden, die dann Anfang 2020 stattfinden soll.
lo/mg
Die "Bürgerbeteiligung", das sollten doch eigentlich "unsere derzeitigen Parlamentarier" sein, aber anscheinend tun diese nicht wofür sie entsand wurden, ein "gefühltes" Armutszeugnis unserer DG !
Eine solche neue Einrichtung ist, in meinen Augen, nur eine neue Brille, die unsere Politiker sich genehmigen, um das lästige Thema "wahren Bürgerdialogs auf Augenhöhe" vom Tisch zu bekommen... "Mitreden (nur noch) erlaubt" heisst ja die "neue Töhnung"... Nach meiner Erfahrung mit den Herrn Paasch, Juncker und Co (Bürgerdialog 2016, 2017), ein weiterer "Täuschungsversuch am Wähler", ein Versuch sich der Verantwortung und Konsequenz eines wahren "Bürgerdialogs" nicht stellen zu brauchen und/oder zu müssen !
MfG
Typisch Belgische Reaktion auf ein Problem. Durch Schaffung einer neuen Struktur, des Buergerrates bzw. -versammlung, glaubt man den Wunsch nach mehr Demokratie und Mitsprache zufrieden zu stellen. Dies wird alles nur noch komplizierter machen wie Belgien insgesamt komplizierter geworden ist durch die Staatsreformen und die dadurch entstandenen zusaetzlichen Institutionen. Nuechtern betrachtet wurde hier ein Debattierclub geschaffen. Vorteilhaft in erster Linie fuer die politisch Verantwortlichen, die mit Verweis auf dieses neue Organ von der eigenen Verantwortung ablenken koennen. Nur aendern tut sich nichts, denn schlussendlich werden die Dekrete immer noch um PdG beschlossen. Echte Mitbestimmung sieht anders aus. Volksabstimmungen und -befragungen fuer gemeinschaftspolitische Themen gibt es nicht. Es gilt sie zu schaffen.
In diesem Bürgerrat wird auch nur das diskutiert werden, was die High-Society erlauben wird. In den 1990er Jahren, in der Zeit des Zerfalls des Sozialismus im Ostblock, nannte man solche Vorgehensweisen einen "demokratischen Sozialismus", und dies ist eine Utopie: entweder hat man Demokratie oder man hat Sozialismus, beides zusammen gibt es nicht. Gorbatschows Glasnost-Perestroika-Politik musste scheitern.
Zitat:"Um zu verhindern, dass in der Versammlung politische oder private Interessen vertreten werden..." Ja warum macht man dann "demokratische Politik", wenn solche Interessen ausgegrenzt werden? Die meisten öffentlichen Interessen sind politisch oder privat. Auch das überregionale Themen ausgegrenzt werden, ist lachhaft: Wächst die Welt und auch schlussendlich Europa immer mehr zusammen oder nicht? Viele Politiker sind so demokratisch wie die DDR.
Der Kommentar von Oswald Schröder im GE vom 26.02.2019 diesbezüglich ist kleinkariert. Er schreibt: "Die Politik – beklagen viele Bürger – habe sich von den Menschen entfernt". Nicht nur die Politik, auch die Presse.