Am Dienstagabend ging der Haushaltsmarathon im Gemeinschaftsparlament in die zweite von insgesamt drei Runden. Auf dem Programm standen die größten Bereiche Bildung sowie Familie, Gesundheit und Soziales.
Insgesamt gab es deutlich mehr konstruktive Beiträge als am ersten Tag der Haushaltsdebatte und einen teils niveauvollen Austausch von Argumenten. Das galt jedoch nur bedingt für den Bereich Bildung, in den die DG fast 35 Prozent des Gesamtvolumens investiert.
Französischkenntnisse
Hier flogen dann so richtig die Fetzen, als Patrick Knops für die Christlich-Sozialen den rhetorischen Hammer auspackte. Bei dem Streit ging es um die Frage der Französischkenntnisse der Schüler, und die sind nach Auffassung von Knops, selbst Lehrer, überaus mager. Diese seine Einschätzung, die Knops von vielen Kollegen, Eltern und Unternehmern bestätigt sieht, steht im diametralen Widerspruch zu den Ergebnissen einer Vollerhebung, die vor kurzem vorgestellt wurde.
Die Studie, so Knops wörtlich, sei nur dazu da, das ziemlich ramponierte Image der Regierung aufzupolieren. Die französische Sprache werde immer mehr verdrängt. Deshalb trete die CSP für die Schaffung einer Euregioschule ein und für die Anwerbung von frankophonem Lehrpersonal für die Aus- und Weiterbildung.
Für ProDG konterte Freddy Cremer, ebenfalls Lehrer. Er bezeichnete Knops' Äußerungen als populistisch und polemisierend. Die Studie sei von einem renommierten Institut, der Alliance Française de Bruxelles Europe, durchgeführt worden. 80 Prozent der getesteten Schüler hätten den Delf-Test bestanden. Und allen Unkenrufen zum Trotz seien die Französischkenntnisse der Primar- und Sekundarschüler in der DG auf einem guten Niveau.
Die Studie belege, so Cremer, dass die seit 2017 ergriffenen Maßnahmen zu einer signifikanten Verbesserung der Französischkenntnisse beigetragen hätten. Cremer sagte, er wünsche sich, dass solche Untersuchungen auch für die Fremdsprachen Niederländisch und Englisch sowie für die Muttersprache Deutsch durchgeführt würden. Und: Cremer regte an, eine gemeinsame öffentliche Sitzung aller Ausschüsse vorzusehen, auf der dann das Brüsseler Institut seine Erkenntnisse vorstellen könne.
Digitalisierung und Kindergärten
In der Debatte ging es darüber hinaus auch um die nicht aufzuhaltende Dynamik der Digitalisierung, wie PFF-Fraktionschef Gregor Freches ausführte. Er betonte, die Mehrheit verschreibe sich mit allen Mitteln der Festigung des Bildungsstandortes Ostbelgien.
Es ging dann auch um das Motto "Schule von morgen", das ja für die Herabsetzung des Kindergarteneintrittalters auf zweieinhalb Jahre steht. Und es ging um die Einführung der Kindergartenassistenten mit 50 einzurichtenden Vollzeitstellen, wie Petra Schmitz für ProDG sagte. Marc Niessen, Ecolo, kritisierte hier, dass die Gehaltseinstufung zwischen Assistenten und ausgebildeten Kindergärtnern keinesfalls den Unterschied in der jeweiligen Aufgabenstellung und Verantwortung spiegele.
Familie, Gesundheit und Soziales
Der zweite große Bereich, über den debattiert wurde, trägt den Namen Familie, Gesundheit und Soziales. Dabei gab es eindeutig mehr Inhalt als vordergründiges Geplänkel. Es wird eine Menge Geld in die Hand genommen, um Verbesserungen zu erzielen. Der Ausgabenhaushalt in dem Sektor steigt 2019 gegenüber dem laufenden Jahr um 3,7 Prozent.
Lydia Klinkenenberg, ProDG, sagte, es gehe hierbei um die ganz großen Herausforderungen in der Gesellschaft. Für die Sozialisten forderte SP-Fraktionschef Charles Servaty, der soziale Zusammenhalt müsse unbedingt vorangetrieben werden. Der Trend, gerade hier den Rotstift anzusetzen, sei in vielen europäischen Hauptstädten - auch in Brüssel - spürbar. Glücklicherweise tickten die Uhren in der Deutschsprachigen Gemeinschaft da anders. Unter anderem schlug Servaty vor, ein "Bündnis für Pflege" ins Leben zu rufen.
Kritik
Kritische Anmerkungen kamen von der CSP. Jérôme Franssen kritisierte unter anderem die Unverhältnismäßigkeit zwischen Nutzen und Kosten des Integrationsparcours. 610.000 Euro seien 2017 dafür vorgesehen gewesen, 2018 waren es fast 700.000. 653 Dossiers habe es gegeben und gerade einmal 114 Personen hätten den Parcours erfolgreich beendet. Die Kosten seien einfach zu hoch.
Und dann kam natürlich der unvermeidbar austeilende Michael Balter von Vivant, der den kreditfinanzierten Konsum beklagte, den Roten, wie er sagte, vorwarf, vor allem am Geld der anderen interessiert zu sein. Aber die Politik der Blauen sei auch nicht besser. Sie setzten sich nämlich nicht für den kleinen Händler oder Handwerker ein, sondern einzig und allein für das Großkapital. Und statt das Geld in die Gesundheitsprävention zu stecken, gönne sich die Regierung innerhalb von fünf Jahren 25 Prozent mehr, ganz zu schweigen vom Parlament, das sich in dieser Legislatur gleich 1,6 Millionen Euro zusätzlich sichere.
Mit Freddy Mockel für Ecolo wurde es dann wieder etwas ruhiger. Allerdings warf er Sozialminister Antoniadis erneut "Wagenburgmentalität" vor und meinte damit den Umgang mit der Übernahme des sozialen Wohnungsbaus. Hier nehme er die Akteure nach wie vor nicht ausreichend mit. Allerdings, dies zum Schluss, gebühre ihm Lob für die Mittelerhöhung in der Kleinkindbetreuung, in Sachen Integration und Sprachkurse.
Den Deckel auf die Debatte machte Evelyn Jadin für die PFF: Als eine der größten Herausforderungen bezeichnete sie die bürger- und wohnortnahe medizinische Versorgung in deutscher Sprache. Da werde man ebenso drum kämpfen wie um die Aufwertung der Pflegeberufe.
Rudi Schroeder