"Hände abschneiden, der Kongo gehört uns" - dieses Gegröhle steht im Zentrum des Vorfalls, der seit Samstagabend für einigen Wirbel sorgt. Das Gegröhle ist auf einem kurzen Video zu sehen, das die farbigen Besucherinnen des Pukkelpops mit ihrem Smartphone von dem verbalen Angriff auf sie gedreht haben.
Hitler-Parolen sollen auch noch gefallen sein. Ein älterer Mann habe sie geschubst, berichtet die 19-jährige Sarah. Sie stammt laut Angaben der Zeitung Het Belang van Limburg aus Ruanda, lebt aber schon seit Jahren in Belgien.
Sie verbreitete das Video über die Kommunikationsplattform Twitter und erklärte dazu, was vorgefallen war. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Bestürzung, Empörung und Unterstützung für die Frauen wurden gepostet. Aber auch Angriffe auf die Frauen. Sie hätten zu empfindlich reagiert. Einige User nahmen die gröhlenden Jungs in Schutz. Sie seien halt angetrunken gewesen, in Festlaune - da passiere so etwas halt manchmal.
Reue
Eine Beobachtung, die Patrick Chartier rein objektiv teilt. Chartier ist Direktor von Unia, der unabhängigen öffentlichen Einrichtung zur Bekämpfung von Diskriminierung. "Das ist eine klassische Form von Rassismus, dem Personen mit afrikanischem Hintergrund immer noch zum Opfer fallen. Das ist die gleiche Kategorie, wie das Bananenwerfen auf farbige Fußballspieler, oder wenn jemand zu einem Farbigen sagt: 'Geh lieber zurück auf deinen Baum, als zu uns zu kommen'. Das sind Stereotypen, denen sich junge Menschen afrikanischen Ursprungs leider immer noch ausgesetzt sehen", sagt Chartier.
Einer der Jugendlichen, die auf dem Video gröhlend zu sehen sind, wurde dank der Netzgemeinde schnell identifiziert. Er hat sich mittlerweile entschuldigt für sein Verhalten. "Ich erkenne mich nicht wieder, das entspricht nicht der Person, die ich sein will", schreibt er in einer E-Mail, die er an Het Belang van Limburg geschickt hat. Die Zeitung veröffentlicht am Dienstag diese Mail. "Ich will mich bei allen entschuldigen, die sich durch mein Verhalten verletzt fühlen, besonders natürlich bei den beiden jungen Frauen. Sie haben den Vorfall völlig zurecht gemeldet", schreibt der junge Mann aus Genk.
Erzieherische Maßnahme
Gegenüber der Presse wollte er sich am Dienstag nicht weiter äußern. Allerdings meldete sich die föderale Staatssekretärin für Chancengleichheit, Zuhal Demir (N-VA), bei dem Jugendlichen. Auch sie kommt aus Genk. Sie schlug dem Jugendlichen ein Treffen vor. An dem nahm am Dienstagnachmittag auch ein weiterer Beteiligter an der Szene teil. Die RTBF berichtet, dass Zuhal Demir den beiden jungen Männern wohl angeboten habe, einen Besuch im Afrikamuseum in Tervuren für sie zu organisieren - als erzieherische Maßnahme.
Ein Vorschlag, den der Unia-Direktor gut findet. Eine erzieherische Maßnahme mache in diesem Fall mehr Sinn als eine Bestrafung. Vor allem auch deshalb, weil es sich wohl noch um Minderjährige handelt.
Unia will den Fall weiterverfolgen. Auch die Staatsanwaltschaft in Genk hat sich eingeschaltet. Sie hat die Polizei damit beauftragt, ein Protokoll der Vorfälle zu erstellen. Auf dieser Grundlage will die Staatsanwaltschaft dann entscheiden, ob sie den Fall eventuell strafrechtlich verfolgt. Bei rassistischen Äußerungen ist das in Belgien möglich.
Die 19-jährige Sarah will allerdings keine Anklage erheben. Ihr reicht es, dass sie die Sache öffentlich gemacht hat. In einer Videobotschaft teilt sie im Internet mit: "Ich möchte allen danken, die mich unterstützt haben. Ihr alle habt dabei geholfen, dass man von der Sache erfahren hat. Ihr habt mich unterstützt, ihr wart einfach da. Dafür danke ich euch. So soll es immer bleiben. Wir sollten uns alle gegenseitig unterstützen."
Kay Wagner