2015 wurden in Belgien fast Hals über Kopf zahlreiche Empfangszentrum für Flüchtlinge eröffnet. Zwei Jahre später ist der Strom nach Europa deutlich kleiner geworden. Flüchtlinge werden nun weit vor den Europäischen Grenzen abgefangen. Damit wurden die Fluchtursachen zwar nicht bekämpft, aber das Problem ausgelagert.
Für die Flüchtlingsheime bedeutet das weniger Arbeit. Wegen fehlender Auslastung werden Zentren zusammengelegt und geschlossen. So auch das Zentrum für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Ligneuville.
"Wir haben die zwei Jahre hier sehr intensiv gelebt, mit einer motivierten Mannschaft, und wir sind sehr stolz, dass unsere Jugendlichen sich gut integriert haben", sagt Direktorin Patricia Perrin. "Das kann man ganz objektiv bewerten, zum Beispiel weil sie Ferienjobs gefunden haben oder schon sehr gut französisch sprechen."
Familiäre Atmosphäre
92 Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren haben in den zwei Jahren im Zentrum eine erste Heimat gefunden. Dabei ist so eine kleine, familiäre Struktur wie in Ligneuville laut der Direktorin gerade für unbegleitete Minderjährige ideal. "Integration ist auf dem Land genau so gut möglich wie in der Stadt. Man braucht nur den Willen zur Umsetzung, gute Beziehungen mit dem Umfeld und Integrationsmaßnahmen über Schule, Aktivitäten im Zentrum oder Ferienjobs."
Das sehen auch die Jugendlichen selbst so. "Mir gefällt es hier gut, weil es ein kleiner Ort ist. Es gibt nicht viel Lärm. Das gefällt mir wirklich sehr gut", sagt der 15-jährige Faizi Mirwais aus Afghanistan. Doch nicht nur die Jugendlichen, auch das Zentrum selbst ist heute ins Dorf integriert. Hatten einige Einheimische zu Beginn noch Bedenken, gibt es jetzt zahlreiche Aktionen, die das gegenseitige Verständnis fördern.
Ganz besonders wird dabei die Weihnachtsaktion in Erinnerung bleiben. "Seit der Eröffnung des Zentrums haben wir rund 30 Jugendliche, die Heiligabend bei Familien aus Ligneuville und Malmendy verbringen. Das ist wirklich eine außergewöhnliche Begegnung, von der sowohl die Jugendlichen, als auch die Familien sehr schöne Erinnerungen behalten", erklärt Direktorin Perrin.
Plötzliche Entscheidung
Geschlossen wird das Zentrum vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. Das Zentrum ist nicht mehr ausgelastet. Außerdem wären für einen Weiterbetrieb umfassende Reparaturen am Gebäude notwendig.
Doch auch wenn man den wirtschaftlichen Hintergrund nachvollziehen kann - die Entscheidung, das Zentrum zu schließen, kam sowohl für die Betreuer als auch für die Bewohner ziemlich plötzlich. Gerade mal bis zum Ende des Jahres bleibt Zeit, alles einzupacken und Abschied zu nehmen. "Ich bin jetzt seit zwei Jahren hier, arbeite mit den Betreuern und habe Freunde gefunden. Dass wir weg müssen, ist traurig", sagt Faizi.
Die Jugendlichen aus dem Zentrum werden in andere Einrichtungen in der Nähe verlegt. Die 19 Angestellten werden vorerst nicht übernommen. Sie sollen sich nach Möglichkeit auf andere Stellen beim Roten Kreuz bewerben können.
Anne Kelleter