"Der Fehler, der häufig gemacht wird, ist, dass man sagt: Wir lassen jetzt mal die Jugend über Jugendthemen diskutieren. Es würde aber keiner darauf kommen, das Unterrichtswesen nur mit Schülern zu diskutieren. Man muss die jungen Leute - wenn man sie ansprechen will - bei jedem Thema mit reinholen. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Themen, wie zum Beispiel Globalisierung, technischer Fortschritt oder Digitalisierung ist, bei denen junge Leute etwas affiner sind, weil sie damit aufwachsen. Die Themen haben sich verändert und betreffen alle - und dann muss man sie auch mit allen diskutieren", sagt Matthias Zimmermann. Er ist 26 Jahre alt und schon seit 2015 Präsident des SP-Regionalverbands - ein Jugendrekord in der Geschichte der Partei.
Erst vor vier Jahren war er in die damals neu gegründete Jugendgruppe der SP - den Jusos - beigetreten. Damit ist es auch seine Aufgabe, junge Leute für die Politik zu begeistern. "In den letzten zehn bis 15 Jahren hat sich das alltägliche Leben in unserer Gesellschaft radikal verändert und da müssen die verstaubten Parteistrukturen auch irgendwie hinterher kommen", so Zimmermann. Die Parteien müssten sich anpassen, wenn sie die Jugend erreichen will.
Da ist laut Matthias Zimmermann Flexibilität gefragt.
"Es ist nicht mehr so, dass man Mittwochabends um 20:00 Uhr in ein Sektionstreffen geht und sich dann zwei Stunden trifft. Die Leute sind es mittlerweile gewohnt, alles ein bisschen maßgeschneidert zu bekommen - zu der Zeit, die sie möchten und solange, wie sie möchten. Das Engagement muss sich anpassen, man muss deutlich flexibler werden, neue Medien und andere Informationskanäle nutzen. Es geht also um viel mehr, als einfach nur neue Gesichter und junge Leute auf eine Liste zu bekommen", so Zimmermann.
"Wir verstehen unter Generationswechsel nicht zwangsläufig, dass die alte Generation weg vom Fenster ist, sondern eher eine gesunde Mischung: Junge neue Kräfte kommen und alte erfahrene Kräfte kommen, so dass sich dass kombinieren lässt. Zwangsläufig braucht man das, um auch die Gesellschaft widerzuspiegeln", sagt Jolyn Huppertz. Sie ist 21 Jahre alt. Die Kelmiserin studiert Jura in Trier und ist seit April 2015 Vorsitzende der Jungen Mitte. Die - sagt sie - sei CSP-nah. Aber es gebe auch Mitglieder die nicht CSP-Mitglied sind.
"Man sagt, dass viele junge Menschen politikverdrossen sind. Das finde ich gar nicht", so Huppertz. "Ich glaube schon, dass sehr viele junge Leute politikinteressiert sind, nur es fehlt ihnen die Erklärung. Sachen über Putin, Trump oder Merkel sieht man natürlich jeden Tag im Fernsehen, aber das, was regional bei uns vor der Haustür passiert, kriegen die Wenigsten mit - und das muss man halt erklären."
Das Interesse für Politik sei da. Aber, so Jolyn Huppertz, es gebe auch viele junge Menschen die der Politik wenig zutrauen. "Bei vielen jungen Leuten ist es keine Politik-Verdrossenheit, sondern eine Partei-Verdrossenheit. Viele haben das Vertrauen in die Parteien verloren. Man kann sich halt nur alle fünf, sechs Jahre beteiligen, wenn tatsächlich Wahlen sind, und darauf haben die meisten jungen Leute keine Lust, denn dass ist keine wirkliche Partizipation. Man muss da hinkommen, dass die jungen Leute sagen: Wir vertrauen denen und die tun was für uns."
"Man spricht immer davon, dass man politikverdrossene Jugendliche hat, ich habe damals eher ein Problem mit jugendverdrossenen Politikern gehabt. Das hat mich unwahrscheinlich motiviert, dann auch aktiv zu werden. Ich sehe in der Jugend nach wie vor viel Potential und das wird meiner Meinung nach auch immer so bleiben", sagt Tom Rosenstein. Mit seinen 33 Jahren ist er unter den Jungpolitikern schon fast ein alter Hase.
Seit rund sieben Jahren ist er für Ecolo aktiv und nicht zufällig Jugendbeauftragter der Stadt Eupen. Von Beruf ist er Jugendarbeiter in Raeren. "Um Jugendliche wirklich verstehen zu können, muss man ihnen auch dementsprechend Raum bieten - nicht infrastrukturell, sondern Raum im Sinne von: Wir schaffen Raum für Subkulturen, wir nehmen Subkulturen und Bewegungen ernst. Ich denke, das ist auch die größte Herausforderung."
Die Mischung macht's: Jung und Alt, die sich austauschen und als Team funktionieren. Davon sind Matthias Zimmermann, Jolyn Huppertz und Tom Rosenstein überzeugt. Und wenn sie von ihren Erfahrungen berichten, dann sieht es ganz danach aus, dass es innerhalb der Parteien keine nennenswerten Generationskonflikte gibt.
Damit junge Menschen aber überhaupt dazu stoßen, ist es wohl auch entscheidend, dass es wenigstens ein Anliegen gibt, das schwerer wiegt, als Zweifel und Vorbehalte gegen die Politik. "Wenn man jung ist und sich engagiert, will man natürlich was verändern - zumindest war es bei mir damals so. Mir gingen einige Sachen auf den Keks und ein paar Sachen habe ich auch gar nicht verstanden. Die sind mir dann erst bewusst geworden, als ich wirklich politisch aktiv wurde, und gesehen habe, welche Prozeduren man durchlaufen muss, ehe man überhaupt etwas verändert bekommt", so Rosenstein.
Und auch wenn man später doch wieder abhakt - eins steht fest: Dümmer wird man davon nicht.
mz/mg - Bilder: Renate Ducomble/BRF
Diese drei jungen Menschen haben nur deswegen in der Politik Fuss fassen können, weil sie unterstützt wurden von älteren Politikern. Alleine hätten die nichts auf die Beine stellen können. Und heute ist es genau wie früher auch, dass man nur dann eine Chance hat, wenn man das viel gerühmte Vitamin "B" (für Beziehungen) hat. Und nach wie vor ist auch noch so, wenn man es wagt, eigene Ideen und Gedanken zu realisieren, dass man dann Probleme bekommt und die notwendige Unterstützung verliert. Und nach wie vor ist es auch noch so, dass der politische Nachwuchs größtenteils von Universitäten und Hochschulen kommt. Nur selten wird einem Handwerker oder Arbeiter die Möglichkeit geboten, Karriere in der Politik zu machen. Soweit ist unsere Demokratie dann doch noch nicht entwickelt. Die nächste Wahlen werden dies auf Neue zeigen.
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