Vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise hat der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan am Montag seinen Besuch in Brüssel begonnen. Die Einladung erfolgte eigentlich schon vor zwei Jahren. Anlass für die Einladung war eigentlich die Eröffnung des Europalia-Kulturfestivals, das in diesem Jahr der Türkei gewidmet ist.
Im Grunde musste man bislang den Eindruck haben, als redeten beide Seiten weitgehend aneinander vorbei. Der EU-Ratspräsident Donald Tusk machte zunächst noch einmal deutlich, dass man die Türkei brauche: Ohne Mitwirken Ankaras sei der Flüchtlingsstrom in Richtung Europa nicht unter Kontrolle zu bringen. Deswegen müsse die Türkei insbesondere ihre Mittelmeer-Grenzen besser überwachen. Recep Tayyip Erdogan beschränkte sich seinerseits im Wesentlichen darauf, die Politik seines Landes zu verteidigen. Die Türkei habe Millionen von Flüchtlingen aufgenommen, deutlich mehr jedenfalls als die EU. Außerdem sei sein Land unmittelbar durch die Lage in Syrien bedroht. Die oft in Europa formulierte Kritik insbesondere in Bezug auf den Krieg gegen die kurdische PKK empfindet Erdogan als ungerecht.
Einig war man sich aber über die mögliche Schaffung einer Pufferzone an der türkisch-syrischen Grenze. Offenbar verhandeln beide Seiten darüber hinaus weiterhin über die mögliche Schaffung neuer Auffanglager in der Türkei, die mit EU-Hilfe entstehen sollen. Dadurch könnte die Möglichkeit geschaffen werden, die Flüchtlingsströme besser zu kanalsieren.
Am Montagmorgen wurde der Staatschef gemeinsam mit seiner Frau Emine zunächst von König Philippe und Königin Mathilde empfangen. Für den Nachmittag waren auch Treffen mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker geplant. Neben Treffen mit Vertretern der EU-Institutionen sollte Recep Tayyip Erdogan auch mit Vertretern Belgiens zusammenkommen.
Auf dem Brüsseler Heizel-Gelände im Palais 12 sollte eine Großveranstaltung stattfinden, die der Brüsseler Bürgermeister Yvan Mayeur dann aber nicht erlaubt hat. Man hatte - anscheinend ein Meeting vor Augen, dass im Juni in Hasselt in der dortigen "Ethias Arena" stattgefunden hatte. Das war kurz vor der Wahl in der Türkei und das Ganze war auch eigentlich eine Wahlveranstaltung, obgleich Erdogan als Präsident ja eigentlich zur Neutralität angehalten ist. Jetzt stehen ja wieder Neuwahlen in der Türkei an. Yvan Mayeur ließ wissen, dass der Palais 12 nicht für politische Veranstaltungen zur Verfügung steht
Pro Asyl warnt vor europäischem Flüchtlings-Deal mit der Türkei
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hält nichts von Überlegungen zu einer europäisch-türkischen Vereinbarung in der Flüchtlingspolitik. Sollten türkische und griechische Grenzschutzeinheiten künftig gemeinsam mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex die Seegrenze im Mittelmeer abriegeln, dann wäre das "eine moralische Bankrotterklärung Europas", erklärte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt am Montag.
Angesichts von Berichten über Menschenrechtsverletzungen und des wieder aufflammenden Konflikts zwischen der türkischen Regierung und der kurdischen Minderheit nannte er zudem die Diskussion um die Einstufung der Türkei als "sicheres Herkunftsland" zynisch.
Am Sonntagabend hatten in Brüssel mehr als 3.000 Belgier türkischer Abstammung den türkischen Präsidenten willkommen geheißen. An der Veranstaltung nahmen unter anderem auch Türken aus Deutschland und den Niederlanden teil.
dpa/belga/cd/rop - Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)