Es sind rund 4.000 Schiffe, die die belgischen Sicherheitsbehörden aktuell mit Aktivitäten des russischen Regimes in Verbindung bringen. Dazu gehören Schiffe jedweder Art: Militärschiffe, Forschungsschiffe, Frachtschiffe, Tanker und alles, was man sich sonst noch so vorstellen kann. Ähnlich vielseitig sind die Aufgaben, die sie für Putin erfüllen: Spionage, Sabotage, Störaktionen, hybride Kriegsführung in allen Varianten, Truppentransporte - und ganz wichtig: der Transport von mit Sanktionen belegten Waren und Gütern.
Der Teil von Putins Flotte, der sich Letzterem widmet, ist unter dem Namen "Schattenflotte" berühmt-berüchtigt, und spielt eine entscheidende Rolle für Moskaus Kriegsmaschinerie. Denn mit ihnen kann Putin trotz Sanktionen weiter beispielsweise Öl verkaufen und damit seine Kriege finanzieren. Und in umgekehrter Richtung bringen die Schiffe auch verbotene Technik und andere Rüstungsgüter zurück nach Russland.
Die Schattenflotte operiert auch außerhalb der normalen Transparenz und der juristischen Regeln des internationalen Seehandels, erklärt Kurt De Winter gegenüber der VRT. Er ist der Direktor des maritimen Operationszentrums der belgischen Marine. Diese Schiffe fahren auch längst nicht alle unter russischer Flagge, ganz im Gegenteil. Sehr oft sind sie nominell in Ländern registriert, die es mit Gesetzen, Regeln und Versicherungen nicht allzu genau nehmen, um es mal sehr diplomatisch auszudrücken - wenn sie nicht gleich mit gefälschten Flaggen unterwegs sind.
Außerdem zeichnen sich die Schiffe meist dadurch aus, dass sie extrem oft den Namen und Eigner wechseln, was die Nachverfolgbarkeit erschwert. Und sie schalten oft ihre Tracking-Systeme aus, ihre Transponder, die sogenannten "Automatischen Identifikationssysteme", abgekürzt AIS. Diese sind übrigens verpflichtend vorgeschrieben für größere Schiffe. Wenig überraschend fälschen sie manchmal auch ihre AIS-Daten.
Wie ein internationales Journalisten-Konsortium herausgefunden hat, zu dem auch VRT und De Tijd gehören, ist das Ausschalten der Transponder eine Praktik, die die Schattenflotte immer häufiger und länger einsetzt. Seit dem Beginn der großangelegten Invasion der Ukraine hat sich die Zahl der AIS-Deaktivierungen bei Tankern der Schattenflotte fast verdoppelt, ihre Frachtschiffe fahren sogar mehr als die Hälfte der Zeit ohne eingeschalteten Transponder.
Wenn das AIS ausgeschaltet wird, dann verschwinden wichtige Informationen von den Bildschirmen anderer Schiffe und natürlich auch von denen der Behörden. Also zum Beispiel der Name, Kurs, Herkunft und Ziel des Schiffes - oder was es offiziell geladen hat. Das sei also wirklich ein Problem, auch in belgischen Gewässern, unterstreicht De Winter. Zum einen wird die Gefahr von Unfällen auf See dadurch deutlich größer. Und es ist natürlich höchst verdächtig, weil es bedeutet, dass die betreffenden Schiffe wohl etwas zu verbergen haben, zum Beispiel ihre exakte Position zu einem bestimmten Zeitpunkt oder spezifische Aktivitäten.
Das Ziel könne zum Beispiel sein, bestimmte Zonen möglichst diskret durchqueren zu können, erläutert Thomas De Spiegelaere von der Zelle "Gefahrenabwehr im Seeverkehr". Oft geht es nach einhelliger Meinung von Experten aber um das Umgehen von Sanktionen: Nämlich indem sanktionierte Waren und Güter auf hoher See von einem Schiff auf ein anderes Schiff umgeladen werden. Also ein sogenannter "Ship-to-Ship-Transfer" von einem mit Sanktionen belegten Schiff auf ein Schiff, das noch nicht mit Sanktionen belegt worden ist. Ein übrigens unter Umständen sehr gefährlicher Prozess für Mensch und Umwelt, gerade mit den schlecht ausgebildeten Besatzungen und den Seelenverkäufern, die die Russen teilweise für ihre Schattenflotte nutzen.
Boris Schmidt