"Wir beide, Samuel und ich, geben hiermit unser Mandat zurück. Und wir werden am Freitag mit unseren Mitgliedern über das weitere Vorgehen beraten". Marie Lecocq war eigens zur RTBF gekommen, um das offiziell zu verkünden, was eigentlich schon am Montag klar war. Aber, es gehe eben noch darum, nun auch wirklich definitiv den Schlussstrich zu ziehen. "Diese Episode hat lange genug gedauert; und sie schadet der Partei enorm"
Das kann man wohl sagen, denn Ecolo leistet sich damit eine wirkliche Existenzkrise. Begonnen hatte die eigentlich schon am 9. Juni vergangenen Jahres mit der katastrophalen Wahlniederlage: Auf allen Ebenen mussten die frankophonen Grünen herbe Verluste hinnehmen. In der Kammer war das besonders sichtbar, wo die Fraktion von ehemals 13 Sitzen auf magere zwei zusammenschrumpfte. Kein Zweifel: Ecolo, und vor allem das damalige Führungsduo wurde vom Wähler abgestraft. Die beiden Co-Vorsitzenden, Rajae Maouane und Jean-Marc Nollet, ziehen ihre Konsequenzen und machen Platz für ein neues Tandem.
Schon im Juli stehen die Nachfolger fest: Die Brüsseler Regionalabgeordnete Marie Lecocq und der frühere Kammerabgeordnete Samuel Cogolati sollen die Partei wieder aufrichten. Eine Herkules-Arbeit, die beide aber mit Tempo und Engagement angehen. Beide organisierten eine interne Mitgliederbefragung und verfassten dann gemeinsam ein Strategiepapier, das die Partei neu ausrichten sollte. Diese Note sollten beide am Montag dem Parteivorstand präsentieren.
Die Frage nach dem "Warum?"
Eine halbe Stunde vor Beginn der Sitzung soll dann aber Cogolati an seine Co-Vorsitzende herangetreten sein, um ihr einen gemeinsamen Rücktritt nahezulegen. "Ja, das stimmt, ich bin da ganz transparent", sagte Marie Lecocq. "Genauso ist es gelaufen. Und das war dann doch eine Überraschung, weil wir doch gerade unsere gemeinsame Strategie-Note vorstellen wollten."
Marie Lecocq fühlt sich also überfahren. Aber, weil ihr Co-Vorsitzender keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit aufkommen lässt, beugt sie sich: Beide setzen also den Vorstand und auch die Öffentlichkeit darüber in Kenntnis, dass sie sich nicht mehr dazu imstande sehen, ihre Arbeit gemeinsam fortzusetzen. Und an dieser Feststellung habe sich nichts mehr geändert, sagt Marie Lecocq. Die Frage nach dem "Warum?" indes, die habe sie auch noch nicht beantworten können. In der Tat: Sie suche da auch noch nach den genauen Ursachen.
Cogolati selbst bestätigte später seinen Rücktritt auf Facebook. Marie Lecocq gegenüber betonte er noch einmal seine Wertschätzung, wobei er auch interne Differenzen einräumt. "Wir müssen ehrlich genug sein, um es zu sagen: 'Wir waren der Aufgabe nicht gewachsen'", schreibt Cogolati. Zu den tieferen Gründen äußert er sich aber nicht.
Nicht ganz aus heiterem Himmel
Was ist da am Montag genau passiert? Politische Beobachter zerbrechen sich auch weiter den Kopf an dieser Frage. Wobei: Zumindest im Nachhinein betrachtet kommt das Ganze vielleicht doch nicht ganz aus heiterem Himmel. Vorausgegangen war ein Rumoren, ein ungewohnt lautes Rascheln im grünen Blätterwald: Ecolo-Mitglieder, die unter dem Mantel der Anonymität Interna ausplauderten und Gift versprühten. Nach der Ankündigung vom vergangenen Montag ging das dann noch munter weiter. Und auch deshalb ziehe sie jetzt endgültig die Reißleine, sagt Marie Lecocq. Schon in den vergangenen Wochen habe sie sich an diesem ganzen Zirkus nicht beteiligt. Weil sie eben auch nicht noch unnötig Öl ins Feuer gießen wollte.
Dennoch wird man den Eindruck nicht los, dass eben genau sie es war, die manche in der Partei womöglich "zum Abschuss freigegeben" hatten. Marie Lecocq selbst sagt dazu nichts. "Hier gehe es nicht um sie, hier gehe es nur um die Partei", so Lecocq, der dennoch eine gewisse Verbitterung anzumerken ist. "Jetzt müssen wir alle gemeinsam nach vorne blicken", betet sie brav die Standardfloskel herunter. "Und, klar wird die Partei das überleben", sagt Marie Lecocq. "Ecolo ist schon durch so manche Krise gegangen; und wir haben es immer geschafft, zurückzukommen"
belga/jp