Dass es bei den frankophonen Liberalen MR ein "Kommunikationsproblem" gab, wurde am Mittwochabend kurz nach 20 deutlich. Im RTBF-Fernsehen begann die Sendung "QR le débat", ein interaktives Format, bei dem die Zuschauer Fragen stellen können - im Studio politisch Verantwortliche oder Fachleute, die darauf reagieren
Moderator Sacha Daout begann die Sendung diesmal aber mit einer Klarstellung. "Wir hatten eigentlich den Abgeordneten Michel De Maegd eingeladen", sagt Sacha Daout. "De Maegd ist der stellvertretende Vorsitzende des außenpolitischen Kammerausschusses und sollte hier den Standpunkt der MR vertreten. Wir haben aber erfahren, dass es unterschiedliche Interpretationen innerhalb der MR gibt in der Frage der faktischen Anerkennung des Staates Palästina."
Deswegen saß eben doch nicht Michel De Maegd im Studio, sondern sein Parteikollege Denis Ducarme. Er war allerdings gar nicht glücklich mit dieser Einleitung und fiel dem RTBF-Moderator gleich ins Wort. "Darf ich bleiben", zischte Ducarme. "Darf ich bleiben, oder soll ich gleich wieder gehen?".
"Natürlich dürfen Sie bleiben", erwiderte Sacha Daout. Aber damit war die Stimmung gleich schon vergiftet. Die patzige Reaktion von Denis Ducarme mag vielleicht mit dem jüngsten Konflikt zu tun haben zwischen der MR und der RTBF; der ungewöhnlich scharfe Ton konnte aber auch schon darauf hindeuten, dass Daout da den Finger in die Wunde gelegt hatte.
Die Bestätigung dafür folgte ein paar Stunden später. Am späten Freitagabend reagierte Michel De Maegd auf Facebook. Ja, es stimme, dass ursprünglich er eingeladen worden sei, um den Standpunkt seiner Partei zum Gaza-Konflikt zu vertreten und er habe auch zugesagt, schrieb der MR-Abgeordnete. Im letzten Moment habe aber sein Parteipräsident ihm verboten, an der Fernsehdebatte teilzunehmen, angeblich, weil er "in diesem Punkt die Parteilinie nicht repräsentiere".
An sich hätte das als Klarstellung schon gereicht, doch zog Michel De Maegd dann plötzlich richtig vom Leder: Er sei empört angesichts dieser beunruhigenden autokratischen Entgleisung und der Einflussnahme des Vorsitzenden auf die innerparteiliche Demokratie, schrieb De Maegd. Einen Abgeordneten daran zu hindern, sich zu äußern - und das, obwohl er die von unseren Regierungsvertretern bestätigte Linie vertritt -, das sei für ihn völlig inakzeptabel.
Das war dann doch starker Tobak. De Maegd attestiert seinem Parteichef Georges-Louis Bouchez eine "beunruhigenden autokratischen Entgleisung" und wirft ihm vor, die Meinungsfreiheit zu missachten? Da kann man nicht mehr von einer simplen Meinungsverschiedenheit sprechen, das klingt schon fast nach einer Revolte.
Tatsächlich: Im letzten Absatz seines Facebook-Posts rief De Maegd die Demokraten innerhalb der MR auf, das nicht mehr länger hinzunehmen. Es sei dringend notwendig, "zu den Werten der MR zurückzufinden" und sich noch einmal klar zu einer echten demokratischen Debatte zu bekennen. Das nennt man Klartext. Das ist ein Schuss vor den Bug von Georges-Louis Bouchez, ein Schuss aus allen Rohren.
Fast als wolle er die Vorwürfe seines "Parteifreunds" schon durch seinen Ton entkräften, reagierte Bouchez in der RTBF betont nüchtern und unaufgeregt. Fangen wir vorne an, sagte Bouchez: Die Absage sei nicht "in letzter Minute" erfolgt, wie De Maegd behauptet, sondern die Entscheidung sei schon am Dienstagmorgen bekanntgewesen. Zweitens sei es nicht unüblich, dass Parteien ihre Vertreter für Medienformate aussuchen nach strategischen Erwägungen. Davon abgesehen, sagte Bouchez - und schoss dann doch einen Giftpfeil ab - "die Bürger erwarten etwas anderes von ihren gut bezahlten Politikern als wegen einer Debatte zu flennen".
Von einer Beschneidung der Meinungsfreiheit zu sprechen, sei auch Unsinn. "Aber, wissen Sie, seit sechs Jahren, seit ich Parteipräsident bin, kenne ich es nicht anders", sagte Bouchez. Man habe ihm schon die tollsten Sachen an den Kopf geworfen. Nun, er lasse jedem seine Exzesse. Das hindere ihn aber nicht daran, weiterzumachen. Er wolle für das Wohl der Bevölkerung arbeiten.
Michel De Maegd sei natürlich weiterhin vollwertiges MR-Mitglied, betont Bouchez auf Nachfrage. Wenn etwas zu regeln sei, mache man das intern. Genau das werde er tun.
Roger Pint